Die Orks 03 - Das Gesetz der Orks
an ihn. Was hat der alte Hexenmeister getan?«
»Er hat sie mit einem Bann belegt«, erklärte Lhurian. »Sie kann sich an nichts erinnern, das mehr als dreihundert Jahre zurückliegt.«
»Ist das wahr?« Zum ersten Mal hatte Alannah den Eindruck, dass der Vermummte überrascht war.
»Ja, das ist es«, erwiderte sie und nickte.
»Aber das durfte er nicht!«, schrie Rothgan mit krächzender Stimme. »Das widerspricht allen Regeln!«
»Und das sagst ausgerechnet du«, fragte Lhurian dagegen, »der du alle Gesetze unseres Ordens gebrochen und sie mit Füßen getreten hast?«
»Ich hatte das Recht dazu!«, ereiferte sich Rothgan.
»Welches Recht?«
»Das des Stärkeren!«, brüllte der Vermummte wie ein waidwundes Tier, und Alannah konnte hören, dass nicht nur Zorn und Hass in seiner Stimme schwangen, sondern auch Schmerz.
Schmerz, der Jahrhunderte alt war …
»Margok ist niemals der Stärkere gewesen«, widersprach Lhurian, der, obschon verletzt auf dem Boden kauernd, in diesem Augenblick der Überlegene zu sein schien. »Das war es nur, was er euch glauben machen wollte und worauf ihr alle hereingefallen seid, die ihr euch ihm verschrieben habt.«
»Das ist nicht wahr!«, kreischte es, und die vermummte Gestalt richtete sich zu ihrer ganzen Größe auf. »Ich bin Margok! Ich, ich und kein anderer! Ich bin Herrscher über diese Insel – und du, Thynia, bist meine Königin!«
»Von diesen Dingen weiß ich nichts«, erklärte ihm Alannah noch einmal, obgleich ihr die dunkle Wahrheit zu dämmern begann. Die Bruchstücke des Mosaiks fügten sich allmählich zu einem Bild zusammen – einem Bild jedoch, das sie entsetzte …
»Du weißt es!«, widersprach Rothgan, der sich selbst Margok nannte. »Du musst dich nur erinnern, Thynia!«
»Nein«, rief sie kopfschüttelnd. »Ich kann und will mich nicht erinnern. Und mein Name ist auch nicht Thynia. Mein Name ist Alannah. An der Seite meines Gemahls Corwyn bin ich Königin von Tirgas Lan und herrsche über …«
»Alannah«, echote er heiser. »So bist du also zu deinen Wurzeln zurückgekehrt, statt weiter jenen Namen zu tragen, den diese Heuchler dir gegeben haben.«
»Er wurde ihr genommen«, stellte Lhurian klar, »zusammen mit der Erinnerung an …«
»Wer hat dich gefragt?«, fiel Rothgan-Margok ihm ins Wort. »Ein Bann, der verhängt wurde, kann auch wieder gebrochen werden. Was auch immer dieser verdammte Farawyn ihr angetan hat, ich bin überzeugt, dass es einen Weg gibt …«
Er unterbrach sich, als er die Wunde an ihrem Oberarm erblickte. Der Schnitt hatte sich geweitet, sodass Blut hervorgetreten war und in zwei gezackten Rinnsalen an ihrem Arm hinabrann. Rothgan-Margok beugte sich zu ihr hinunter, und zum ersten Mal erblickte Alannah die Hand des Vermummten, die aus dem weiten Armel seines Gewandes auftauchte – eine knochige, narbenübersäte Klaue, deren Haut in fauligem Grün schimmerte. Angewidert verzog sie das Gesicht.
»Wer?«, krächzte der Vermummte. »Wer hat dir das angetan …?«
Sie erschauderte, als er sie berührte. Um nicht aufzuschreien, presste sie die Lippen fest zusammen und sagte kein Wort. Aber Rothgan-Margok brauchte auch so nicht lange, um denjenigen unter seinen Handlangern ausfindig zu machen, der ihr die Verletzung beigebracht hatte.
»Du!«, sagte er und deutete auf den Elfenkrieger – und im nächsten Augenblick zuckte ein Feuerstrahl aus seiner Hand, der den in Ungnade Gefallenen verzehrte.
Ein gellender Schrei erklang, dann war nur noch das Fauchen der Flammen zu hören. Augenblicke lang hüllte das Feuer den Krieger ein, dann verlosch es wieder, und zurück blieb ein Gerüst geschwärzter und rauchender Knochen, das knirschend in sich zusammenfiel.
Alannahs Entsetzen kannte keine Grenzen. Nie zuvor hatte sie eine rohere, brutalere und sinnlosere Demonstration von Macht erlebt.
»Die Kraft des Feuers«, ächzte Lhurian entsetzt. »Du beherrschst sie noch immer …«
»Nicht nur das, alter Freund«, entgegnete Rothgan-Margok, dessen Laune sich infolge der Untat wieder ein wenig gehoben hatte. »Ich habe sie vervollkommnet. Jahrhunderte sind eine lange Zeit, wenn man auf sich selbst gestellt ist, weil einen alle Freunde verlassen haben.«
»Wir haben dich nicht verlassen«, widersprach Lhurian. »Du hast uns verraten!«
»Nadelstiche«, konterte Rothgan verächtlich. »Was vermögen sie dem Panzer eines Drachen anzuhaben?«
»Du bist kein Drache.«
»Nein, das wohl nicht. Aber ich habe gelernt,
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