Die Orks 03 - Das Gesetz der Orks
Steppen Aruns überging und im Westen an den Trowna-Wald grenzte. Es war der kürzeste Weg, um nach Tirgas Lan zu gelangen – schließlich wollte Dun'ras Ruuhl dem neuen Monarchen von Erdwelt möglichst bald seine Aufwartung machen.
Es war kein Kriegsschiff, mit dem die Dunkelelfen reisten, sondern ein leichter Handelssegler, was eigentlich unter ihrer Würde war. Doch Ruuhl hatte dieses Schiff gewählt, weil es zum einen schnell und wendig war, und zum anderen, weil er auf den ersten Blick erkannt hatte, dass dessen Kapitän – ein untersetzter Mann mit furchtsamen Gesichtszügen – keinen Widerstand leisten würde. Kurzerhand hatte der Dun'ras das Schiff in Besitz genommen und der Mannschaft befohlen, ihn nach Arun zu bringen.
Einen aufsässigen Maat, der sich weigern wollte, hatte er in Stücke hacken und an die Fische verfüttern lassen, und danach hatte es keinen weiteren Widerspruch mehr gegeben. Ruuhl hatte es genossen, während der Überfahrt auf dem Vordeck zu stehen und den Wind zu spüren, der in sein Haar fuhr und seinen Umhang bauschte. Ein Gefühl von Allmacht hatte ihn dabei durchströmt, wie er es noch nie zuvor in seinem Leben empfunden hatte, und er war sich so lebendig vorgekommen wie seit Urzeiten nicht mehr.
Ein Sturm braute sich über der Welt der Sterblichen zusammen. Ein Sturm der Vernichtung …
»E-entschuldigt, Herr …«
Die näselnde Stimme des Kapitäns riss Ruuhl aus seinen Gedanken. Wutschnaubend blickte er zur Seite, wo sich der kleine Mann bäuchlings auf die Planken geworfen hatte, furchtsam zu ihm aufblickend.
»Was willst du?«
»Die Küste von Arun ist nicht mehr fern, Herr. Wenn Ihr die Gütigkeit hättet, mir zu sagen, wo Euch abzusetzen wir die große Ehre haben …«
»Die Pforte von Arun – existiert sie noch?«
»G-gewiss, Herr«, versicherte der Kapitän, der über die Frage einigermaßen verwundert schien.
»Dann bring mich dorthin«, beschied ihm der Dun'ras und hielt die Unterredung damit für beendet, doch der Kapitän blieb in unterwürfiger Haltung vor ihm liegen.
»Verzeiht, Herr …«, sagte er leise.
»Was ist denn noch?«
»Vergebt mir meine Neugier – aber werdet Ihr unsere bescheidenen Dienste noch länger benötigen? Ihr sagtet, dass wir frei wären, sobald wir Euch nach Arun gebracht hätten …«
»Sagte ich das?«
»Ja, Herr.«
»Hm«, machte Ruuhl nur, was der Kapitän als Bestätigung deutete. Dankesbezeugungen murmelnd, zog er sich langsam zurück, kriechend wie ein Wurm.
Der Segler änderte den Kurs, sodass die Küste nun auf der Backbordseite lag. In spitzem Winkel und mit hoher Geschwindigkeit hielt das Handelsschiff darauf zu. Das Segel blähte sich, und die Taue knarrten, während der Bug durch die Fluten schnitt. Dun'ras Ruuhl ging es dennoch nicht schnell genug.
Von nagender Ungeduld erfüllt, sehnte er den Augenblick herbei, in dem sich der Nebel lichten und die vertrauten Formen der Pforte zu erkennen sein würden – und schon kurz darauf wurde sein Wunsch erfüllt. Zunächst waren es nur undeutliche Schemen, die sich über den gezackten Küstenfelsen erhoben, aber je weiter das Schiff durch den Nebel vordrang, desto deutlicher traten die Umrisse der beiden riesigen Statuen hervor, die als steinerne Wächter am Ufer standen und gen Osten blickten.
In uralter Zeit waren sie errichtet worden, Königin Liadin und König Sigwyn zu Ehren, den Elfenherrschern, die die Grenzen des Reiches bis weit über die Ostsee hinaus erweitert hatten. Glorreiche Zeiten waren dies gewesen, bevor die Herrscher des Elfenreichs korrupt und schwach geworden waren und die Verhältnisse im Reich nach einer Veränderung verlangt hatten.
Die Höhe der Statuen betrug genau achtundvierzig Klafter – einen Klafter für jeden Edelstein in der Krone von Tirgas Lan. Obwohl ihr Alter Tausende von Jahren betrug und sie in all dieser Zeit der zornigen Macht des Wetters ausgesetzt gewesen waren, hatten die Standbilder kaum nennenswerten Schaden davongetragen. Unbewegt standen sie da, in ihren steinernen Gewändern, der König auf sein Schwert gestützt und die Elfenkrone tragend, seine Gemahlin den Zauberstab im Arm, riesig groß und Ehrfurcht gebietend. Beider Blick war gen Osten gerichtet, unbewegt seit Jahrtausenden, wie zum Äußersten entschlossen blickend und …
Nein, das war nicht richtig!
Verblüfft nahm Dun'ras Ruuhl zur Kenntnis, dass die beiden Statuen nur auf den ersten Blick genauso aussahen, wie er sie in Erinnerung hatte!
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