Die Orks 03 - Das Gesetz der Orks
Nicht nur, dass sich der Gesichtsausdruck von König Sigwyn verändert hatte und ungleich wohlwollender wirkte – es waren auch nicht mehr die Züge eines Elfen, sondern die eines Menschen, und eine steinerne Klappe bedeckte das linke Auge! Verwirrt richtete Ruuhl den Blick auf Königin Liadin und machte bei ihr eine ähnliche Feststellung. Auch ihr Gesicht war ein anderes geworden. Die Hände geschickter Steinmetze hatten dafür gesorgt, dass die Statue ein anderes Antlitz erhalten hatte – und zwar eines, das Dun'ras Ruuhl kannte!
»Nein!«, entfuhr es ihm unwillkürlich. »Das kann nicht sein! Das ist nicht möglich …!«
Seine Leibwächter bemerkten es einen Augenblick später, und auch sie reagierten mit einer Mischung aus Unglauben und Bestürzung, sehr zur Besorgnis der Schiffsbesatzung, die sich nicht erklären konnte, was dies zu bedeuten hatte.
»Ve-verzeiht, Herr«, ließ sich erneut der Kapitän vernehmen, während einige der Leibwächter es ihm gleichtaten und sich zu Boden warfen – allerdings nicht vor Dun'ras Ruuhl, sondern vor der Statue. »Ist etwas nicht in Ordnung?«
»Wer – ist – das?«, grollte Ruuhl, jedes Wort betonend, und deutete auf die beiden Standbilder.
»Kön-König Corwyn und Königin Alannah, die neuen Herrscher von Tirgas Lan«, antwortete der Kapitän stammelnd. »Ihnen zu Ehren wurden die Statuen verändert. Mehr als ein Jahr lang arbeiteten fünfhundert Zwerge …«
Dun'ras Ruuhl hörte schon nicht mehr hin.
»Alannah!«, echote er fassungslos.
Also doch!
Als der Mensch in Anar den Namen erwähnte, hatte er noch an eine zufällige Namensgleichheit glauben wollen – nun jedoch konnte kein Zweifel mehr bestehen. Das Antlitz der Statue war Beweis genug: die hohen Wangen, die schmalen Augen, die entschlossene Stirn, das leicht zugespitzte Kinn – die Ähnlichkeit war unübersehbar!
Dun'ras Ruuhl hatte zu lange gelebt und zu viel gesehen, als dass ihn noch viel hätte überraschen können – in diesem Fall aber brauchte er einen Moment, um seine Fassung zurückzuerlangen. Der Odem der Geschichte schien ihn zu umwehen, und auf einmal war er sich sicher, dass es keine Laune des Schicksals gewesen war, die seine Leute und ihn aus ihrer eigenen Welt und in diese gerissen hatte.
Es war Bestimmung …
8.
TASHOLOR KUUN
Gedankenverloren starrte er in die Flammen.
Ihr unsteter Schein warf flackernde Schatten auf seine Gesichtszüge, die gezeichnet waren von den Narben überstandener Kämpfe und umrahmt von dunklem Haar. Das auffälligste Merkmal in seinem Gesicht freilich war die Klappe, die er über dem linken Auge trug und die ihn stets daran erinnerte, wer und was er einst gewesen war.
Ein Kopfgeldjäger …
Noch vor etwas mehr als einem Jahr hatte Corwyn seinen Lebensunterhalt damit verdient, die weite Wildnis zu durchstreifen, die sich zwischen den Nordsümpfen und dem Scharfgebirge erstreckte, und im Auftrag der dort siedelnden Menschen Orks zu jagen. Keine sehr ehrenvolle Beschäftigung, aber eine, die ihm ein ordentliches Auskommen gesichert hatte.
Bis zu dem Tag, an dem er Rammar und Balbok begegnet war.
Das Zusammentreffen mit den beiden Unholden hatte Corwyns Leben grundlegend verändert, denn mit ihnen hatte er auch Alannah kennengelernt, die Elfenpriesterin, von den Orks aus dem Eistempel von Shakara entführt. Am Anfang waren sie erbitterte Feinde gewesen, aber das Schicksal oder der Wille der Götter – oder auch einfach nur die pure Notwendigkeit – hatte sie schließlich zu ungleichen Gefährten gemacht, denen es gelungen war, den Bann zu brechen, der in alter Zeit über die Stadt Tirgas Lan verhängt worden war, und den Geist des Dunkelelfen Margok zu besiegen.
Doch dass es ausgerechnet sein Haupt gewesen war, auf dem sich damals die Elfenkrone niedergelassen hatte, von magischen Energien geleitet, konnte er immer noch kaum glauben. Durch dieses denkwürdige Ereignis war aus dem Kopfgeldjäger Corwyn König Corwyn geworden, der erste aus dem Geschlecht der Menschen, dem die Herrschaft über ganz Erdwelt zuteilwurde – und obwohl Corwyn es anfangs für ein riesiges Missverständnis gehalten hatte, hatte er sich alle Mühe gegeben, den Pflichten seines Amtes gerecht zu werden.
Dass es ihm halbwegs gelungen war, hatte er allerdings anderen zu verdanken – in erster Linie Alannah, die seine Frau geworden war und die Bürde des Regierens mit ihm teilte, aber auch zwei gewissen Orks, die rund ein Jahr später zurückgekehrt waren,
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