Die Orks
Rassen verschrieben, und dafür hat sie der Herr bestraft. Und die Ironie, meine Brüder, liegt darin, dass er Nichtmenschen als Werkzeug seiner Rache benutzt hat. Sie haben sich mit der Schlange gepaart und die Schlange hat sie verschlungen.« Er setzte seine Untersuchung fort und begutachtete die Gesichter der Toten und den Ernst ihrer Wunden.
»Der Arm des Allmächtigen ist lang, und Sein Zorn kennt keine Grenzen«, donnerte er.
»Er streckt die Unrechtschaffenen so sicher nieder, wie Er Seine Auserwählten belohnt.« Ein Aufseher rief ihn von der anderen Seite des Leichenfeldes. Er ging zu ihm.
»Was gibt es, Calvert?«
»Diese eine lebt noch, Meister.« Er zeigte auf eine Frau. Sie hatte einen Zopf aus langen blonden Haaren. Ihre Brust war blutüberströmt, ihre Atmung flach. Sie war dem Ende nahe. Hobrow kniete neben sie. Sie war sich seiner Anwesenheit vage bewusst und versuchte, etwas zu sagen, doch kein Laut kam über ihre bebenden Lippen. Er beugte sich näher.
»Sprich, Kind. Bekenne deine Sünden und beichte.«
»Sie… sie…«
»Wer?«
»Sie kamen… und…«
»Sie? Meinst du die Orks?«
»Orks.« Ihre glasigen Augen wurden für einen Moment klarer.
»Ja… Orks.«
»Sie haben euch das angetan?«
»Orks… kamen…« Die Aufseher hatten sich ringsumher versammelt. Hobrow wandte sich an sie.
»Seht ihr? Kein Mensch ist sicher vor den verfluchten unmenschlichen Rassen, selbst jene nicht, die so dumm sind, ihre Partei zu ergreifen.« Er wandte sich wieder an die sterbende Frau.
»Wohin sind sie geritten?«
»Orks…«
»Ja, die Orks.« Er redete langsam und eindringlich.
»Weißt du, wohin sie geritten sind?« Sie gab keine Antwort. Er nahm ihre Hand und drückte sie.
»Wohin sind sie geritten?«, wiederholte er.
»Kr… Krätze…«
»Mein Gott.« Er ließ sie los und erhob sich. Ihre Hand griff nach seiner und fiel unbemerkt wieder zurück.
»Auf die Pferde!«, donnerte er. In seinen Augen brannte messianische Leidenschaft.
»Das Ungeziefer, das wir suchen, macht gemeinsame Sache mit anderen seiner Art. Wir begeben uns auf einen Kreuzzug, Brüder!« Von seiner Leidenschaft angesteckt, rannten sie zu ihren Pferden.
»Wir werden unsere Rache bekommen!«, schwor er.
»Der Herr wird uns leiten und beschützen!«
Die Vielfraße verbrachten den ganzen Tag mit der Suche nach einem weiteren Eingang in die Krätze. Falls es einen gab, war er so gut verborgen, dass sie ihn nicht fanden. Aber sie stießen auch nicht auf Trolle, wie sie es befürchtet hatten, und zumindest das war ein glücklicher Umstand. Stryke entschied, dass sie das Labyrinth durch den Haupteingang betreten würden, wie sie den Schacht mittlerweile nannten, und zwar bei Anbruch des nächsten Tages. Jetzt, da die Nacht hereingebrochen war, konnten sie nur noch auf das Morgengrauen warten. Da einige behaupteten, Trolle kämen im Dunkeln an die Oberfläche, wurden doppelte Wachen aufgestellt, und alle hatten ihre Waffen griffbereit. Alfray schlug vor, ein klein wenig Pelluzit auszugeben. Stryke hatte keine Einwände, vorausgesetzt, die Menge blieb gering und die Wachposten bekamen keines. Er nahm selbst nichts, sondern breitete eine Decke am Rand des Lagers aus und legte sich hin, um nachzudenken. Das Letzte, was ihm bewusst war, als er einschlief, war der durchdringende Geruch des Kristalls.
Sterne wurden in der sich vertiefenden Dämmerung sichtbar. Sie waren so scharf umrissen und klar, wie er sie selten zuvor erlebt hatte. Er stand am Rand einer Klippe. Einen guten Speerwurf entfernt sah er eine Felswand. Er sah Bäume auf der anderen Seite, hoch und gerade. Zwischen den beiden Felswänden lag eine tiefe Schlucht. Weit unter ihm toste ein weiß schäumender Fluss, der Wolken aus feiner Gischt aufwirbelte, wo er gegen Felsen in seinem Bett brandete. Die Schlucht erstreckte sich auf beiden Seiten, so weit das Auge reichte. Die beiden Klippen waren durch eine leicht schaukelnde Hängebrücke aus groben Stricken und gewobenen Seilen sowie Holzlatten verbunden, auf denen man gehen konnte. Aus keinem anderen Grund als dem, dass die Brücke da war, setzte er den Fuß darauf und machte sich an die Überquerung. Nachdem er den Schutz der Felswand verlassen hatte, kühlte eine steife Brise die angenehme Wärme des Abends empfindlich ab.
In ihr lag die Sprühnebelnässe des reißenden Stroms unter ihm, die ihn frösteln ließ. Er ging langsam und genoss die Großartigkeit der Szenerie, während er die reine Luft tief einatmete.
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