Die Orks
Sterne? Leben vom Wind? Das klingt nach einem armseligen Ertrag für Ihre Leistungen.« Blaan grinste albern.
»Im Tausch für mein Garn geben die Leute mir Essen, Trinken und Unterkunft. Ab und zu auch klingende Münze. Vielleicht sogar eine eigene Geschichte. Vielleicht haben Sie auch eine Geschichte zu erzählen?«
»Ganz gewiss nicht«, schnaubte Lekmann verächtlich.
»Unsere Geschichten wären für einen Meister des Wortes von geringem Interesse.«
»Da wäre ich nicht so sicher. Alle Geschichten haben einen Wert.«
»Da haben Sie unsere noch nicht gehört. Wohin wollen Sie?«
»Unbestimmt.«
»Und woher Sie kommen, ist das auch unbestimmt?«
»Teufelsbrüllen.«
»Dahin wollen wir!«, rief Blaan.
»Halt den Mund!«, schnauzte Lekmann. Er bedachte Seraphim mit einem falschen Lächeln.
»Wie, äh, wie geht es denn dieser Tage in Teufelsbrüllen so zu?«
»Wie überall im Land – chaotisch, weniger tolerant als früher. Die Stadt verkommt immer mehr zu einem Zufluchtsort für Gesetzlose. Es wimmelt dort nur so von Straßenräubern, Sklavenhändlern und ähnlichem Gesindel.« Coilla hatte den Eindruck, dass der Fremde mehr als nur ein wenig Betonung auf das Wort Sklavenhändler legte, aber sie war nicht sicher.
»Was Sie nicht sagen«, heuchelte Lekmann Desinteresse.
»Der Rat und die Wächter versuchen die Ordnung aufrechtzuerhalten, aber die Magie ist dort so unberechenbar wie überall sonst. Das macht es ihnen sehr schwer.«
»Das muss es wohl.« Seraphim wandte sich an Coilla.
»Was hält denn Ihre Freundin aus den Reihen der älteren Rassen davon, so einen berüchtigten Ort zu besuchen?«
»Die Wahl zu haben wäre ein guter Anfang«, sagte sie zu ihm.
»Sie hat zu diesem Thema nichts zu sagen!«, unterbrach Lekmann rasch.
»Aber sie ist ein Ork und kann gut auf sich selbst aufpassen.«
»Wer's glaubt«, murmelte Coilla. Der Geschichtenerzähler sah die harschen Mienen des Trios.
»Ich hole mir nur etwas Wasser und mache mich dann wieder auf den Weg.«
»Sie müssen dafür bezahlen«, entschied Lekmann.
»Ich wusste nicht, dass dieser Bach jemandem gehört.«
»Heute gehört er uns.«
»Wie ich schon sagte, ich habe nichts zu geben.«
»Sie sind doch Geschichtenerzähler, also erzählen Sie uns eine. Wenn sie uns gefällt, können Sie zu Ihrem Pferd und trinken.«
»Und wenn nicht?« Lekmann zuckte die Achseln.
»Nun ja, Geschichten sind meine Währung. Warum nicht?«
»Ich würde sagen, Sie erzählen uns irgendwas, womit man Idioten erschrecken kann«, murmelte Aulay.
»Wie zum Beispiel eine Geschichte über Trolle, die kleine Kinder fressen, oder über die Untaten der furchtbaren Sluagh, Ihr Wortweber seid alle gleich.«
»Nein, mir schwebt eigentlich etwas anderes vor.«
»Was denn?«
»Sie haben die Unis erwähnt. Ich dachte, ich erzähle Ihnen eine von ihren kleinen Fabeln.«
»O nein, nicht so einen religiösen Schwachsinn.«
»Ja und nein. Wollen Sie sie hören oder nicht?«
»Nur zu«, seufzte Lekmann.
»Aber ich hoffe, Sie sind nicht allzu durstig.«
»Wie die meisten Leute halten wahrscheinlich auch Sie die Unis für engstirnige Fanatiker.«
»Da können Sie Gift drauf nehmen.«
»Und bei den meisten hätten Sie auch Recht damit. Sie haben erbärmlich viele religiöse Eiferer in ihren Reihen. Aber sie sind nicht alle so. Ein paar sind nicht ganz so verbohrt und sehen sogar die komische Seite ihres Glaubens.«
»Es fällt mir schwer, das zu glauben.«
»Es stimmt aber. Wenn man von dem Einfluss absieht, den ihr Glaube auf sie hat, sind sie nur einfache Leute wie Sie und ich. Und das äußert sich in Geschichten, die sie manchmal erzählen. Geschichten wohlgemerkt, die sie heimlich erzählen. Diese Geschichten machen die Runde, und einige davon kommen auch zu mir.«
»Fangen Sie auch irgendwann mal an?«
»Wissen Sie, was die Unis glauben? Ungefähr, meine ich.«
»Es geht.«
»Dann wissen Sie vielleicht, dass ihre heiligen Bücher besagen, ihr einsamer Gott hätte die menschliche Rasse erschaffen, indem er zunächst einen Mann, Ademnius, und eine Frau, Evelaine, schuf.« Aulay grinste zweideutig.
»Eine wäre nicht genug für mich.«
»Wir wissen das alles«, sagte Lekmann ungehalten.
»Wir sind keine Schwachköpfe.« Seraphim ignorierte die Einwürfe.
»Die Unis glauben, dass in jenen ersten Tagen Gott zu Ademnius gesprochen hat, um ihm zu erklären, was Er getan hatte, und welche Hoffnungen Er in das Leben setzte, das Er geschaffen hatte. Also
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