Die Orks
geschnitzte Galionsfigur, die dem Ebenbild einer Taube nachempfunden war, erhob sich am Bug. Das einzelne Leinwandsegel des Gefährts flatterte und knisterte in der
Abendbrise. Als die Barke so nahe war, dass sie die Besatzung sehen konnten, erhob sich ein Ächzen aus den Reihen der Orks.
»O nein«, seufzte Kestix.
»Die haben uns gerade noch gefehlt.«
»Wenigstens sind sie nicht lebensgefährlich«, erinnerte Alfray ihn.
»Aber verdammt unangenehm, Gefreiter.«
»Kein Grund, sie zu töten, wenn wir nicht müssen«, sagte Alfray zu den Gemeinen.
»Ihre Magie hat nur etwas mit ihrer Fortbewegung zu tun, also sind sie keine echte Bedrohung. Haltet alle Wertsachen fest.« Er erwog, einen schnellen Rückzug zu befehlen. Aber das hätte bedeutet, Besitz zurücklassen zu müssen, der geplündert werden konnte, und es war damit zu rechnen, dass jene auf der Barke ihnen folgen würden, bis deren berüchtigte Neugier gestillt war. Was darauf hinauslaufen mochte, diese Bande tagelang im Schlepptau zu haben. Besser, sie brachten es hinter sich und stellten sich dem Unwetter.
»Vielleicht fahren sie einfach vorbei«, verlieh Kestix seiner Hoffnung Ausdruck.
»Ich glaube nicht, dass das in ihrer Natur liegt, Soldat.«
»Aber wir sind Orks. Wissen sie denn nicht, dass es gefährlich ist, sich mit uns anzulegen?«
»Wahrscheinlich nicht. Sie sind nicht sehr hell. Aber vergiss nicht, dass es nicht ewig dauern wird. Wir können es einfach aussitzen.« Das Segel der Barke wurde gerefft. Ein Anker klatschte ins Wasser. Dann erhoben sich ein paar Dutzend winzige Gestalten wie Ballons vom Schiffsdeck und strebten den Orks entgegen. Eigentlich flogen sie nicht, sondern schwebten mehr. Sie drehten sich in die Richtung, die sie einschlagen wollten, flatterten träge mit ihren kleinen Stummelarmen und glitten langsam durch die Luft. Sie hatten ein wenig Ähnlichkeit mit menschlichen oder zwergischen Säuglingen. Alfray wusste, dass sie keine waren. Manche von ihnen waren wahrscheinlich älter als er, und alle waren sie äußerst versiert in der Kunst des Diebstahls und allem, was damit zu tun hatte. Aber er nahm an, dass es ihre Ähnlichkeit mit jungen hilflosen Lebensformen war, die verhinderte, dass mehr von ihnen von erzürnten Reisenden erschlagen wurden. Die Racker hatten einen großen Kopf und große runde Augen, die anziehend gewesen wären, hätten sie nicht so gemein gefunkelt. Sie waren rosahäutig und haarlos, wenn man von einem kurzen Flaum auf dem Kopf absah. Ihr Geschlecht war Undefiniert. Sie trugen gegerbte Lendentücher aus Tierfellen, die ein wenig wie glänzende schwarze Windeln aussahen und an denen eine Unzahl von Stoffbeuteln baumelten. Racker trugen keine Waffen. Während sie schwebten, plapperten sie. Schrill, unverständlich, lästig. Eine ganze Traube der Geschöpfe erreichte sie. Dann stürzten sie sich auf die Orks, und plötzlich waren sie nicht mehr so träge. Sie ließen sich auf Köpfen, Schultern und Armen nieder.
Während sie sich an den Kleidern der Orks festklammerten, stöberten sie mit ihren flinken Fingern in jeder Tasche und in jedem Beutel herum. Sie versuchten sich Waffen und Zahnhalsketten anzueignen. Winzige Hände schnappten sich die Helme der Gemeinen. Alfray packte einen der kleinen Diebe und schüttelte ihn, um ihn dazu zu bringen, sein Wams loszulassen. Es war überraschend harte Arbeit.
Als er ihn endlich losbekam, schob er ihn mit aller Kraft weg. Der Racker segelte davon und drehte sich dabei um die eigene Achse. Immer mehr von ihnen quollen aus der Barke und sammelten sich über dem Trupp wie liebreizende Geier. Wenn ein Ork sich von einem Racker befreite, stieß ein anderer herab und nahm dessen Platz ein. Während er mit dem Handrücken nach einem der Angreifer schlug, brüllte Alfray:
»Wie bringen sie so viele auf einem so verdammt kleinen Boot unter?« Kestix hätte geantwortet, aber eines der Geschöpfe verdrehte gerade seine Nase mit einer winzigen Hand. Die andere wühlte im Gürtelbeutel des Gemeinen herum. Mit einiger Mühe pflückte Kestix den Racker von sich herunter und schleuderte ihn von sich. Er glitt in eine Traube wartender Artgenossen, sodass diese versprengt wurden wie Kegel, nur viel langsamer. Während Alfray einen Racker wegzog, der seine Brust umklammerte, humpelte ein Gemeiner an ihm vorbei, dessen Bein ein Racker umschlungen hielt. Er trat heftig in dem Versuch aus, das Geschöpf abzuschütteln. Ab und zu wurde deutlich, dass
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