Die Orks
zurückfloss, beschloss er, an dessen Ufer ein frühes Lager aufzuschlagen. Er dachte sich, dass sie in diesem Fall die Reise noch vor Morgengrauen fortsetzen konnten.
Als der Trupp den Vorschlag machte, eine Ration Pelluzit zu genehmigen, dachte er sich weiter, dass es nicht schaden konnte. Die Männer hatten es sich verdient. Aber nur ein wenig. Sie waren immer noch eine Kampfeinheit, und außerdem brauchten sie das Pelluzit als Tauschobjekt. Ein oder zwei Klümpchen der Droge wurden konsumiert. Danach vertieften sich Alfray und Kestix in eine, nach orkischen Maßstäben, philosophische Diskussion.
»Ich bin nur ein einfacher Soldat, Gefreiter«, sagte der Gemeine,
»aber es kommt mir so vor, als könnte niemand bessere Götter als unsere verlangen. Wofür brauchte man andere?«
»Ach, wie viel leichter es doch wäre, wenn alle unserer Meinung wären«, erwiderte Alfray nicht ganz ernsthaft. Kestix sah keine Ironie. Mit vom Kristall etwas undeutlicher Stimme und glasigen Augen verfolgte er das Thema weiter.
»Ich meine, wenn man das Kleeblatt hat, was will man sonst noch?«
»Mir haben sie immer gereicht«, stimmte Alfray zu.
»Welcher Aspekt der Vierheit ist dir der liebste?«
»Der liebste?« Kestix sah aus, als habe ihm noch nie zuvor jemand diese Frage gestellt.
»Tja, im Grunde sind sie mir alle gleich lieb.« Er dachte kurz nach.
»Vielleicht Aik. Jeder liebt den Gott des Weins, oder nicht?«
»Was ist mit Zeenoth?«
»Die Göttin der Hurerei?« Kestix grinste wie ein kleiner Junge.
»Sie ist es wert, verherrlicht zu werden, wenn Sie wissen, was ich meine?« Er zwinkerte Alfray auf obszöne Art zu.
»Und Neaphetar?«
»Er ist der Größte, nicht wahr? Neaphetar ist der Gott des Krieges. Seinen Namen habe ich auf den Lippen, wenn wir in einen Kampf ziehen. Der oberste aller Orks ist Neaphetar.«
»Findest du ihn nicht grausam?«
»Oh, er ist grausam, sicher. Aber gerecht.« Er starrte Alfray einen Moment leeren Blickes an und fragte dann:
»Wer ist Ihnen der Liebste, Boss?«
»Wystendel, glaube ich. Der Gott der Kameradschaft. Mir macht das Kämpfen Spaß. Natürlich macht es mir Spaß, schließlich bin ich ein Ork. Aber manchmal glaube ich, dass die Kameradschaft eines guten Trupps das Beste an unserem Los ist.«
»Jedenfalls würde ich sagen, dass die vier genau richtig sind. Balgen, bumsen, bechern. Rau und rüde. So sollten Götter sein.« Ein Gemeiner reichte ihm eine Pfeife. Er zog daran, und seine Wangen wurden hohl, als er den Rauch inhalierte. Beißender Qualm stieg aus dem Pfeifenkopf auf. Kestix gab sie an Alfray weiter.
»Was ich nicht verstehe«, fuhr der Gemeine fort,
»ist diese Geidenschaft, äh, Leidenschaft… diese Leidenschaft für einen einzelnen Lott. Scheiße! Gott. Für einen einzelnen Gott.«
»Mir kommt der Gedanke auch komisch vor«, räumte Alfray ein.
»Aber schließlich sind die Menschen nicht gerade knapp an verrückten Ideen.«
»Ja, ich meine, wie kann ein Gott alles ganz allein regeln? Es muss doch das Werk mehrerer sein, eine Gemeinschaftsleistung?« Die Pfeife machte Alfray aufgeschlossen für alles Wohlbehagen. Sie brachte ihn ins Grübeln.
»Weißt du, vor der Ankunft der Menschen waren alle Rassen viel aufgeschlossener für die Überzeugungen der anderen«, sagte er undeutlich.
»Jetzt versuchen alle nur noch, einem die eigene Religion einzuhämmern.« Kestix nickte weise.
»Die Spätankommer müssen sich für eine Menge verantworten. Sie haben so viel Krawall verursacht.«
»Aber das bringt mich auf den Gedanken, dass wir unseren Göttern in letzter Zeit zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben. Ich schätze, ich werde ihnen ein Opfer darbringen, sobald ich Gelegenheit dazu bekomme.« Sie verstummten, da sich jeder im kaleidoskopischen Theater seiner Gedanken verlor. Der Rest des Trupps war ebenfalls zusammengesunken, obwohl immer noch bis zu einem gewissen Grad gescherzt und gekichert wurde. Eine unmessbare Zeitspanne verstrich. Dann richtete sich Kestix auf.
»Gefreiter.«
»Hmmm?«
»Wofür halten Sie das?« Weißlicher Nebel stieg aus dem Nebenarm auf. Durch ihn näherte sich ein Gefährt aus der Richtung des Callyparr. Alfray weckte den Trupp. Etwas wacklig und mit einigem Murren rappelten sie sich auf und bewaffneten sich. Die Nebelschwaden teilten sich. Eine Barke glitt majestätisch auf sie zu. Sie lag tief im Wasser und war so breit, dass ihre Seiten fast das Ufer berührten. Im Heck erhob sich eine geräumige Deckkajüte. Eine
Weitere Kostenlose Bücher