Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
des Altars gelegt.«
Mara hatte keine Ahnung, wie das ganze Ensemble überhaupt aufgebaut war. Sie sah nur den eigentlichen Altar und darüber das hohe Gemälde. Plötzlich fiel ihr etwas ein. »Hinter dem Ensemble muss es einen quer verlaufenden schmalen Gang geben«, sagte sie.
Jakob nickte. »Zwischen dem Altaraufbau und der hinteren Wand des Kirchenraums. Dort müssen wir irgendwie hingelangen.«
»Bleibt noch die Videoüberwachung.«
Sie beobachteten eine Weile die Putzfrau, die sich weiter ihren Weg bahnte und sorgfältig aufwischte.
»Gehen wir ein Stück zurück«, sagte Jakob. »Wir sollten uns nicht so lange hier aufhalten. Das ist zu auffällig.«
Sie spazierten durch das Mittelschiff in Richtung Ausgang, aber sie verließen nicht den Bereich, der von den Gittern umgeben war.
Am Ausgang war ein kleiner Tumult entstanden. Stimmen hallten in dem weiten Dom. Zwei der dunkel gekleideten Wachleute eilten auf den Eingang zu. Dort hatten ein älterer Mann und eine Frau – offensichtlich ein Ehepaar – einen kleinen weißen Hund mit hereingebracht. Das Tier riss energisch an der Leine, hechelte und winselte, und plötzlich bellte es laut, dass es wie ein Schrei durch den Dom schallte.
Die beiden Besucher wollten partout nicht einsehen, dass es verboten war, Hunde mitzubringen. Schließlich gelang es den Aufpassern, sie höflich, aber bestimmt nach draußen zu bringen. Die Frau schüttelte ihren mit grauem Haar bedeckten Kopf. Der Mann trottete hinterdrein. Mara schnappte einen Teil des Protests der Frau auf: »Nicht zu fassen … der Pepi ist doch ein so Lieber …« Sie verschwanden im Windfang, und die dunklen Herren kehrten zurück. Sie wechselten ein paar Worte und grinsten dabei.
»Jetzt ist die Putzfrau fertig«, sagte Jakob und deutete in Richtung Altar. Die Frau im blauen Kittel zog das Wägelchen zur Seite in Richtung des Frauenchors.
Mara zog Jakob ein Stück weit weg. »Komm, setzen wir uns mal hier in die Bank … Und fassen wir zusammen … Wir glauben, dass irgendwelche Unterlagen hinter oder unter dem Altar versteckt sind.«
»Richtig. Am heiligsten Ort von Wien. Das muss einfach der Altar sein.«
»Nehmen wir an, wir haben recht. Wie muss man sich diese Unterlagen vorstellen? Ein Heft? Eine Mappe? Ein Umschlag? Ein Datenstick?«
»Es wird etwas Kleines sein. Georg muss dafür gesorgt haben, dass man das Material hier nicht zufällig findet. Es könnte ja sein, dass der Umschlag oder was auch immer den Kontrolleuren auffällt oder einfach nur der Putzfrau.«
»Das heißt, wir müssen unter Umständen lange danach suchen. Wir bräuchten Zeit, um uns das alles da vorn richtig anzusehen.«
Jakob zog die Stirn in Falten. »Das wäre das Beste, ja.«
Mara sah sich um. Plötzlich schlug ihr Herz schneller. Es war ihr, als habe sie Quint wieder gesehen. Seitlich, hinter dem Gitter an der Kasse. Doch als sie erneut hinsah, war er verschwunden.
Drehte sie jetzt völlig durch?
Sie versuchte, die Angst zu unterdrücken, aber es gelang ihr nicht. Ihr Gesicht wurde heiß.
»Was hast du?«, fragte Jakob.
»Nichts«, sagte Mara, entschlossen, die Furcht abzuschütteln.
Vergiss Quint, befahl sie sich. Vergiss die Bilder von der Szene im Wald, als er dich erschießen wollte. Vergiss den Besuch in Jakobs Wohnung …
Sie musste hier weg. Sie konnte das Gefühl nicht ertragen, dass hinter dem Gitter jemand lauerte, der es auf sie abgesehen hatte. Sie fühlte sich eingesperrt. Und da kam ihr ein Gedanke.
»Ich habe eine Idee«, sagte sie. »Ich versuche es.«
»Aber was willst du machen? Erklär’s mir.«
»Du gehst raus. Ich meine, nicht aus dem Dom, sondern an dem Gitter vorbei, an den Eingang. Du hast Quint auf der Donauinsel gesehen. Du weißt also, wie er aussieht. Schau nach, ob er da ist. Lenk ihn ab. Ich werde dann angelaufen kommen – und es dabeihaben. Wenn ich es gefunden habe. Verstehst du?«
»Nein, das verstehe ich nicht. Du willst einfach da vorn hinlaufen? Und nachsehen?«
»Das ist doch die beste Lösung.«
»Die Wachleute werden sehr schnell da sein und dich wegholen. Und dann kennen sie dich. Du wirst danach keinen Fuß mehr in den Dom setzen können. Weil du nämlich Hausverbot bekommst.«
»Deswegen bleibst du erst mal im Hintergrund. Wenn es nicht klappt, kannst du es ja versuchen. Also los jetzt, mach schon.«
»Aber so einfach geht das nicht.«
»Ich habe mir was überlegt. Vertrau mir.«
Jakob sah sie ein paar Sekunden an, als wollte er in ihrem Gesicht lesen,
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