Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
natürlich keinerlei Verpflichtungen einzugehen oder gar Verantwortung zu übernehmen.
Dieser Ron machte wahre Kulleraugen, als Quint ihm die Treppe herauf entgegengeeilt kam.
» Who are you? «, fragte er, doch Quint hielt sich gar nicht damit auf zu antworten. Er wischte die dürre Gestalt zur Seite, sodass sie gegen den Türrahmen knallte. Dann zog er den Junkie an seinen Locken ins Innere der Wohnung und schloss die Tür. Es musste nicht jeder im Treppenhaus mitkriegen, was hier passierte.
Ron schrie nicht, sondern er gab nur ein tiefes Stöhnen von sich. Er war auf den Boden gerutscht und hatte an der Wand eine rote Schleifspur hinterlassen. Blut tropfte aus seiner Nase und bedeckte Mund und Kinn, sodass es so aussah, als sei der untere Bereich von Rons Gesicht eine einzige Wunde.
Quint ließ ihn los und durchsuchte die Wohnung.
Doch was hieß hier schon Wohnung?
Es war ein einziger großer Raum mit dreckigen alten Möbeln. Es stank nach Schweiß und kaltem Rauch. Die markante Shit-Note war leicht auszumachen.
Der einzige abgetrennte Raum war ein kleines Bad mit Toilette. Darin war niemand.
» What the hell …«, kam Rons hohe Stimme von der Tür her. Er hatte sich mühsam aufgerappelt und kam schwankend auf Quint zu. Es wirkte geradezu lächerlich, wie dieser Sack voller Drogen versuchte, gegen den Eindringling vorzugehen.
Quint ließ seinen rechten Arm vorschnellen und packte ihn an der Gurgel. Dann drückte er Rons Oberkörper nach unten, sodass er das Gleichgewicht verlor und der Länge nach hinstürzte. Quint fixierte ihn zwischen den Schulterblättern mit seinem Fuß.
»Mara Thorn«, sagte er. »War sie hier?«
Ron rührte sich nicht.
Quint verstärkte den Druck. »War sie hier? Sie oder dieser Jakob Lechner? Oder beide? Do you know where they are? «
Ron hob den Kopf vom Boden, wobei er den Rücken ein wenig verbiegen musste. Der Junkie war ziemlich gelenkig. Als er das Gesicht ein paar Zentimeter angehoben hatte, deutete er ein Kopfschütteln an.
»Du weißt nicht, wo sie sind?«
» No …«
Er beschloss, sich mit Ron später noch einmal zu beschäftigen und erst mal nach Spuren zu suchen. Er sah sich nach etwas um, womit er Ron fesseln konnte.
In einer Ecke lagen bunte Stoffe auf einem Haufen. In Lila, Bordeauxrot und Blau. Quint ließ Ron liegen. Er wehrte sich nicht mehr und bewegte sich kaum. Wie ein Käfer in der Kältestarre.
Es waren Kostüme aus einem satinartigen Material. Wahrscheinlich war der Typ schwul und verkleidete sich gerne. Oder er war Schauspieler oder so etwas. Die Stoffe ließen sich leicht zerreißen, und Quint gelang es, innerhalb von Sekunden Fesseln und Knebel herzustellen.
Ron wehrte sich nicht, als Quint mit einem lila Fetzen seinen Mund umspann und am Hinterkopf fest zuknotete. Schreien war jetzt unmöglich. Und Ron musste durch die Nase atmen. Mit weiteren Streifen fesselte Quint Arme und Beine und ließ das fertige Paket auf dem Bauch liegen. Rons Rücken hob und senkte sich schnell. Er atmete heftig.
Quint sah auf die Uhr. Seit er diese Behausung betreten hatte, waren gerade einmal anderthalb Minuten vergangen. Nun blickte er sich um. Der Laptop auf dem Sofa war ihm gleich aufgefallen. Damit konnte man sicher etwas anfangen.
Er klappte ihn auf. Er war auf Standby gestellt, und auf dem Bildschirm wuchs ein Balken, als sich das Gerät wieder in den aktiven Zustand zurückversetzte.
Es gab geöffnete Dateien.
Er klickte auf das Symbol des Textverarbeitungsprogramms. Das Fenster wurde groß.
Bingo!
Quint löschte die Datei, schaltete den Rechner aus und blickte zu Ron. Irgendwer würde ihn schon finden.
Eine Sekunde später war er auf dem Flur, schloss die Wohnungstür hinter sich und lief die Treppe hinunter.
44
Neben dem Altar erschien eine Gestalt, die in eine so weihevolle Umgebung nicht passte. Sie zog ein kleines Wägelchen hinter sich her, in der sie allerlei Reinigungsmittel, Schrubber und Lappen transportierte.
Eine Putzfrau!
Als befände sie sich nicht in einer Kirche, sondern auf dem Flur eines Bürohauses, stellte die Frau in ihrem blauem Kittel einen Eimer Wasser ab, tauchte einen Wischer ein und begann, den schwarz-weißen Boden zu wischen. Sie arbeitete sich gemächlich vom Altar aus quer über die Fläche und hinterließ eine feuchte Wischspur.
»Es gibt also schon mal keinen Bewegungsmelder, der losgehen könnte«, sagte Jakob.
»Aber hilft uns das? Ich meine, wo genau sind die Unterlagen? Am Ende hat er sie irgendwo ins Innere
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