Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
der Straße. Kurz darauf hörte der Padre ein Stück weit entfernt einen Motor aufröhren. Massimos Polizeiwagen.
Das Tor der Einfahrt quietschte, als der Padre die beiden eisernen Flügel schloss. Dann öffnete er den Wagen und vergewisserte sich, ob alles ordentlich verdeckt war. In der Dunkelheit waren die länglichen Stäbe sowieso kaum zu erkennen. Doch ein Polizist wäre sicher daraufgekommen, was es war – wenn man ihm Gelegenheit gegeben hätte, einen längeren Blick daraufzuwerfen.
Jeder Polizist hätte das Dynamit erkannt.
50
Mara erwachte aus unruhigem Schlaf. Sie spürte ein Stechen im Rücken, ihr Bein war eingeschlafen. Das Summen der Klimaanlage dröhnte ihr in den Ohren. Sie war immer wieder aufgeschreckt, als der Zug hielt und von schallenden Lautsprecheransagen begrüßt wurde. Irgendwann hatten diese Ansagen die Sprache gewechselt, und Mara hörte italienische Wörter.
Sie streckte sich – was kaum ging, da sie sofort an den Sitz vor ihr stieß. So stand sie auf, stellte sich in den Mittelgang und reckte sich.
Die anderen Fahrgäste beachteten sie kaum. Den meisten waren die Anstrengung und die Langeweile der Reise ins Gesicht geschrieben. Einige lasen Zeitung. Andere hatten Knöpfe im Ohr und hörten Musik. Blickten dabei aus dem Fenster, wo im Grau des Morgens eine hässliche Industriegegend vorbeizog. Abgestellte Güterzüge. Gebäude in schmutzigem Weiß.
Mehr als zehn Stunden dauerte die Zugfahrt von Wien nach Florenz, und Mara hatte Glück gehabt, dass sie noch eine Verbindung erwischte. Das letzte Geld war fast dafür draufgegangen.
Sie setzte sich wieder hin und prüfte das Handy. Seit der Nachricht gestern hatte sie keine weitere SMS mehr erhalten, und es hatte sie auch niemand angerufen.
Sie schaltete das Telefon ein, klickte sich durch das Menü und las noch einmal, was Jakob geschrieben hatte. Die Worte, die ihr immer wieder im Kopf herumgingen.
Fahr nach Italien. Antworte mir nicht. J.
Das war alles.
Ob Jakob die Nachricht unter Druck geschickt hatte?
Ob man ihr damit eine Falle stellte?
Sie hatte auch mit dem Gedanken gespielt, doch zu antworten. Oder ihn anzurufen. Sie sah die Nummer, von der aus Jakob die Nachricht abgeschickt hatte.
Sie rückte sich in dem Sitz zurecht und sah auf die Uhr. Noch gut zwei Stunden bis Florenz. Dann drückte sie auf den Aus-Knopf ihres Handys, bis das Display erlosch.
Quint hielt in der einen Hand seine Pistole und in der anderen Lechners Handy. Die Waffe war entsichert. Der Lauf zielte auf den Antiquar. Der Amerikaner spürte, dass er gleich aufwachen würde. Er hatte Erfahrung mit Gefangenen.
Tatsächlich begann Lechner, sich zu bewegen. Er reckte sich ein wenig, dann bemerkte er Quint und seine Waffe. Der Schreck stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Wollen Sie uns immer noch nicht sagen, wo der Ort liegt?«, sagte Quint auf Englisch.
Jakob schüttelte den Kopf. »Ich weiß es doch nicht.« Plötzlich kam Leben in ihn, und er schrie Quint an. »Wenn Sie Mara was tun … Lassen Sie mich zu ihr.«
»He«, rief Quint. »Langsam.« Er hob die Waffe etwas an, und Lechner, der aufspringen wollte, wurde wieder ruhiger. Doch es war eine angespannte Ruhe. An seinem Hals pulsierte eine Ader.
»Bleiben Sie ruhig.«
Quint stand auf, verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich. Er ging einen Gang entlang und dann eine Treppe hinauf. Schließlich gelangte er in ein Wohnzimmer. Schon der feine Duft, der in der Luft lag, verriet ihm, dass Deborah dort auf ihn wartete.
Sie saß in einem Sessel, die Beine übereinandergeschlagen, und sah ihn an. Ihr hellblaues Kostüm mit Minirock betonte ihre Figur. Quint fiel es schwer, den Blick abzuwenden. Sie spürte es und verzog den Mund zu einem Lächeln, das herablassend wirkte.
»Ich denke, Sie wollen ihn unter Druck setzen, damit er uns endlich verrät, was wir wissen wollen?«, fragte sie. »Warum sind Sie dann hier?«
Er setzte sich auf das Sofa vor der großen Panoramascheibe, hinter der gerade der Morgen dämmerte. Tagsüber hatte man hier einen weiten Blick über die Hügel des Wienerwalds.
»Wollen Sie mir nicht antworten? Oder muss ich Sie wieder mal als Versager betrachten?« Das rechte Bein, das über dem linken lag, wippte ungeduldig.
Quint antwortete immer noch nicht, sondern griff nach seinem Laptop, der auf dem gläsernen Couchtisch stand.
»Wir werden bald wissen, was wir wissen wollen«, sagte er und begann zu tippen, ohne Deborah anzusehen. Er wusste, dass Missachtung
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