Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
Ursache für Grittis Tod herausfinden will?«
»Es war ein Unfall, oder? Das glaubt auch die Polizei. Warum sollte sie es bezweifeln?«
»Sicher. Es ist alles wasserdicht. Aber trotzdem. Kann es sein, dass Mara etwas ahnt? Etwas weiß?«
»Das müssten Sie mir sagen können. Denn dann hätten Sie einen Fehler gemacht.«
»Nicht unbedingt.«
»Natürlich, was bedeutet es denn sonst?«
»Vielleicht kann sie es einfach nicht glauben«, sagte er. »Sie klappert wie ein guter Polizist alle Leute ab, mit denen Gritti Ärger hatte. Weil sie einen Verdacht hegt.«
»Da wird sie hoffentlich nicht mehr viele finden«, sagte die Frau.
»Wird sie nicht. Und sie wird bei Potter nichts ausrichten. Ich behalte sie im Auge.«
»Im Auge behalten reicht nicht. Wir müssen auf andere Weise aktiv werden. Hat Mara ihre Violine dabei?«
»Das weiß ich nicht. Aber ich glaube nicht.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Sie war vorher im Hauptbahnhof, und sie hat sich kurz bei den Schließfächern aufgehalten. Sie wird dort also etwas untergebracht haben.«
»Finden Sie Genaueres heraus. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen. Wir müssen uns einen Vorsprung verschaffen.«
»Sie meinen, Sie wollen die Violine haben?«
»Das meine ich.«
Quint fluchte innerlich. Wie sollte er das nun wieder anstellen? Die Geige sendete kein Signal, er wusste noch nicht mal, welches Schließfach Mara benutzt hatte. Wenn er es herausfand, war es mit technischen Tricks eventuell möglich, es zu öffnen – es war nicht ganz leicht, aber machbar, wenn er es schaffte, eine Weile unbeobachtet zu sein.
»Ich zähle auf Sie«, sagte sie.
Er drückte den roten Knopf und betrachtete noch eine Weile den Punkt, der regungslos in dem Haus neben dem See verweilte.
Dann klappte er den Computer zu, packte ihn in eine Tasche und machte sich auf den Weg zum Bahnhof.
14
Potter hatte tatsächlich einen Butler. Er trug einen dunklen Anzug und ein weißes Hemd und erwartete Mara mit arrogantem Lächeln am Eingang des Hauses, der von zwei Säulen eingerahmt war.
Sie betrat eine Fläche aus Marmorfliesen, in denen sich die Accessoires im Eingangsbereich spiegelten: meterhohe bunte Porzellanvasen mit riesigen violetten Blumen ragten nach oben. Altmodische Sesselchen, mit rosa Satin bezogen, die geschnitzten Holzteile golden gestrichen, standen an den hellen Wänden.
»Mara? Das ist eine Überraschung.«
Sie hatte Potter nur ein Mal persönlich gesehen – nach einer Besprechung bei John. Schon damals war ihr aufgefallen, dass er sich geckenhaft kleidete. Am liebsten hätte sie eine Sonnenbrille aufgesetzt, um sich vor der gewagten Farbzusammenstellung zu schützen: grellgrünes Hemd, rosa Sakko, hellblaue Stoffhose. Die Schuhe waren weiße Sneakers, aber irgendein Designer war auf die Idee gekommen, ihnen einen zwei Finger breiten grünen Streifen zu verpassen – im selben Farbton wie das Hemd und glänzend. Es war schwer zu schätzen, wie alt Potter war. Sein Gesicht wirkte glatt und rosig, das Haar war entweder hellblond oder schon weiß.
»Gehen wir doch in mein Arbeitszimmer«, sagte er. »Darf ich vorausgehen?«
Ihre Schritte klackerten leise über den Marmor. Es ging ein paar Stufen hinunter in ein Souterrain. Auch hier waren die Wände hell. Gemälde, die aus flirrenden Farbpunkten bestanden, schmückten sie.
»Schlimm, die Sache mit John. Die ganze Branche redet darüber.«
Potter war hinter einem schmalen Schreibtisch mit Rokokofüßen stehen geblieben. Ein Laptop stand aufgeklappt bereit.
»Darf ich dir was anbieten? Es ist doch in Ordnung, wenn ich du sage, oder?«
Er griff nach einer kleinen Glocke, bewegte sie kurz hin und her, und kaum war das helle Klingeln verklungen, erschien der Butler.
»Kaffee?«, fragte Potter in Maras Richtung. Sie wollte nicht über Getränke diskutieren und nickte einfach.
»Für uns beide«, trug er seinem Angestellten auf und wies auf einen Sessel. »Setz dich.«
Was sollte sie sagen? Sie blickte durch die hohen Fensterscheiben, hinter denen sich ein kleiner Park erstreckte – ein Stück weiter vom Wasser des Sees begrenzt.
»Es heißt, Grittis Bruder hätte nun die Geschäfte übernommen«, sagte Potter.
»Das stimmt.«
»Du hast es sicher nicht leicht. Es kam ja alles ganz plötzlich …«
Potter duzte sie, das war auch in Ordnung, in der Branche war es üblich, und Mara war es egal. Aber sie konnte nicht zurückduzen. Sie kannte Potters Vornamen nicht.
»Ich nehme an, ich kann dir irgendwie helfen. Sonst
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