Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
nachweisen. Deborah allerdings weiß Bescheid. Ihr Helfer hat mich an dem Kranhaus abgefangen und in ihre Gewalt gebracht.
Sie atmete tief durch, bevor sie einen weiteren Satz dazu schrieb: Er hat versucht, mich zu töten.
Es dauerte mindestens fünfzehn Atemzüge, bis sich Orpheus wieder meldete.
Du bist ihnen entkommen?
Sonst wäre ich ja nicht hier.
Das stimmt. Aber überwachen sie Dich noch?
Ich glaube nicht.
Ganz sicher konnte sie sich nicht sein. Sie wollte nicht mehr. Sie wollte Orpheus endlich sehen, wollte nicht mehr chatten. Sie wollte, dass sich endlich etwas veränderte, dass es weiterging.
Gut.
Plötzlich geschah etwas Seltsames. Eine Meldung tauchte auf: Orpheus ist offline .
Hatte er sich ausgeloggt? Warum sollte er das tun? Sie starrte fassungslos auf die letzten Worte, die er getippt hatte. Drei Buchstaben. Der Ausdruck von Genugtuung. Als sei alles so gelaufen, wie er es sich vorgestellt hatte. Als habe Mara eine Pflicht erfüllt – die Pflicht, Deborah und ihrem Killer zu entkommen. Als ob es nur darauf ankam.
Hallo? Sind Sie noch da?
Vielleicht war die Leitung zusammengebrochen.
Sie saß da, versuchte, ihren Atem unter Kontrolle zu bringen, spürte, wie ihr Herz klopfte und wie die Sekunden verrannen.
Er kann nicht weg sein, hämmerte sie sich ein. Unmöglich.
Mindestens eine Minute verstrich. Dann noch eine. Mara tat nichts anderes, als auf den Monitor zu starren und abzuwarten.
Plötzlich ging ein Fenster auf.
Orpheus ist online.
Hallo?, schrieb Mara wie von selbst.
Entschuldige. Ich wurde getrennt, als ich auf eine andere Website gegangen bin.
Sei in zwei Stunden am Flughafen Köln-Bonn.
Kommen Sie her? Fliegen Sie nach Köln? Wie erkenne ich Sie?
Nein, Du kommst zu mir. Es liegt ein Ticket für Dich bereit. Austrian Airlines. Ich habe es gerade gebucht.
Wo werde ich hinfliegen? Sie wollte die Frage eintippen, da kam die Meldung, dass Orpheus wieder offline war.
Sie wartete und wartete. Diesmal kam er nicht zurück.
29
Die Schwarze Violine lag im Geigenkoffer und glänzte darin wie in einem körpergeformten Sarg. Die beiden F-Löcher schienen in Qual verzogene Augen zu sein, die Deborah ansahen. Augen eines Gesichts, das in einem Zustand höchster Angst, des größten Schreckens oder des entsetzlichsten Schmerzes erstarrt war – mumifiziert hinter einer Schicht aus Lack, in dem sich das Licht spiegelte.
Deborah stand vor dem Tisch, auf dem das Instrument lag, und ließ ihren Blick darauf ruhen.
Welches Geheimnis verbirgst du?, fragte sie stumm.
Kannst du es mir überhaupt sagen?
Wie kannst du es mir sagen?
Sie nahm die Geige aus dem Kasten. Wie jedes Mal, wenn sie das tat, war sie überrascht über die Leichtigkeit der Violine. Das Holz musste sehr alt sein.
In den Quellen, die Deborah studiert hatte, wurde die Schwarze Violine erstmals im 18. Jahrhundert erwähnt. Angesichts der Bauform und der historischen Informationen, denen zufolge Geigen um 1600 die alten Gamben abzulösen begannen, war es mindestens dreihundert Jahre alt. Sicher wäre es aufschlussreich herauszufinden, welcher Geigenbauer dieses Instrument hergestellt hatte. War es am Ende der legendäre Antonio Stradivari, dessen Blütezeit in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts lag?
Deborah hatte überlegt, die Expertise eines Sachverständigen anzufordern, aber das hätte Aufsehen erregt. Nicht nur sie und John wussten von der legendären »Schwarzen Violine«. Gerüchte geisterten durch die Fachliteratur – wenn auch meist nur in der einen oder anderen Fußnote. Doch wenn der Geigenexperte, dem sie dieses Instrument zur Begutachtung gab, nur ein bisschen besser informiert war als der Rest der Fachwelt, würde die Bombe platzen.
Interessant, dass das Schicksal diese Geige nicht in die Hände eines klassischen Musikers, eines kenntnisreichen Sammlers oder eines Wissenschaftlers gelegt hatte, sondern in die Hände eines Mädchens, das in Klubs auftrat und ansonsten wenig über Musik und Musikgeschichte wusste. Eines Mädchens, das Musik einfach machte – ohne darüber nachzudenken.
Deborah schüttelte den Kopf. So ein Unsinn. Es war natürlich nicht das Schicksal. Jemand hatte Mara bewusst das Instrument zugespielt. Jemand, der die Fäden von Maras Leben in Händen hielt.
Deborah hatte keine Ahnung, wer dieser mysteriöse Orpheus war, aber dass er sich Mara zugewandt hatte, war gut. Sobald sie die Spur des Mädchens wiederhatten, würde sie Deborah zu ihm führen.
Sie betrachtete die
Weitere Kostenlose Bücher