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Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
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eingeladen, noch bevor das Ultimatum von Tribur erging.
    Seine These stützt der Gelehrte auf die Auswertung von mehr als einem Dutzend Quellen. Manche hat er »wiederentdeckt«, andere neu übersetzt oder interpretiert. Bestärkt sieht sich Fried durch seine Kalkulation der Reisezeiten. Maximal 23 Kilometer am Tag veranschlagt er für den gemächlichen Tross des Papstes, unter 40 für die von Sorge getriebene Truppe Heinrichs. Bei diesem Tempo, so Fried, konnte der Papst seine nachweisliche Route nur schaffen, weil die Reise ins »Regnum Teutonicum« bereits geplant war, bevor ihn die Einladung der Fürsten erreichte.
    Angebahnt wurden die Kontakte zwischen den Widersachern durch die drei »Nothelfer des Königs«. Als Strippenzieher, die sowohl großen Einfluss auf Heinrich als auch auf den Papst hatten, galten die Mutter des Königs und sein Pate, der Abt Hugo von Cluny, sowie die Markgräfin Mathilde von Tuszien. Ihr schreibt Fried eine entscheidende Mittlerrolle zu. Auf ihrer Burg südwestlich von Reggio nell’ Emilia am Rande der Po-Ebene wollte der Papst auf das Geleit der Fürsten nach Deutschland warten, zu ihren Besitzungen zählte auch Canossa. Sie war die Cousine des Königs und dem Papst wiederum so nahe, dass Lampert von Hersfeld der Witwe sogar ein Verhältnis mit Gregor andichtete.
    Dank der Diplomatie im Verborgenen dürfte die Bitte um Vergebung für Heinrich auch nicht so erbärmlich gewesen sein, wie sie zumeist geschildert wird. Fried meint, dass der Gang ein fest vereinbartes Ritual gewesen sei, bei dem Heinrich wohl nur das Mindestmaß an Buße abverlangt wurde: dreimal barfüßig vor den Papst zu treten. Beim anschließenden Versöhnungsmahl wurde in einem Vertrag ausdrücklich »Heil und Ehre des Königs« festgeschrieben. Canossa ist für Fried daher letztlich ein »Pakt auf Gegenseitigkeit«, in dem sich Papst und König für Gerechtigkeit und Frieden sowie die Ehre des anderen einsetzten.
    Doch Canossa brachte nur einen faulen Frieden. Schon drei Jahre später bannte Gregor den König erneut, weil der sich nicht fügen wollte. Selbst Kritiker Heinrichs hielten die Strafe für überzogen, Gregors Bannstrahl verfehlte seine Wirkung.
    Mit den Deutungen Frieds sind nicht alle Kollegen einverstanden. Elke Goez von den »Monumenta Germaniae Historica« in München, der renommiertesten deutschen Forschungsstätte für die Edition mittelalterlicher Texte, bekundet dem Kollegen zwar »größten Respekt für seine außerordentliche Akribie und unermüdliche Recherche«. Die Rolle der Mathilde von Tuszien aber, über die Goez eine 2012 erschienene Biografie verfasst hat, findet die Professorin »schon ein wenig überbewertet«. Doch die Wissenschaftlerin ist sicher: »Nach Canossa gehen muss Fried nicht.«

Heiliger Krieg
    Papst Urban II. rief 1095 zum Kreuzzug gegen die Muslime auf, die Jerusalem und das Heilige Land besetzt hatten. Den Teilnehmern des Waffengangs versprach er Erlösung von den Sünden und ewiges Leben.
    Von Georg Bönisch
    Piacenza, eine kleine Stadt 60 Kilometer südöstlich der lombardischen Metropole Mailand, verschlafen, eher unbedeutend. Und plötzlich, für ein paar Tage im März des Jahres 1095, übervölkert, wichtig. Papst Urban II. hatte zu einer Synode geladen, fast 35000 Menschen waren seinem Ruf gefolgt, so berichtet es jedenfalls ein Chronist. Die meisten von ihnen Laien, aber auch 4000 Geistliche, unter ihnen 200 Bischöfe, französische, italienische und deutsche. Ein starkes Heer des Herrn, der rechte Ort also, um große Politik zu machen.
    Eigentlich wollte Urban, im ewigen Gezänk zwischen Kaiser und Papst, zwischen regnum und sacerdotium, mit einer solchen Massenveranstaltung nur unter Beweis stellen, welche Autorität er doch besaß. Erst versuchte er, Lösungen für die ehelichen Probleme zweier Regenten zu finden; dann aber folgte der Konzilsordnung wichtigster Punkt, und was nun verhandelt wurde, sollte entscheidend werden für das Abendland und das Morgenland.
    Türkische Seldschuken, Muslime, so trugen Gesandte des byzantinischen Monarchen Alexios I. Komnenos vor, fegten durch Kleinasien und stünden kurz vor Konstantinopel, der Hauptstadt. Militärische Hilfe für ihr Volk und die Christen im Osten sei deshalb dringend nötig – um ihr Begehren zu forcieren, untermauerten sie es geschickt mit dem Hinweis, vielleicht könne dabei Jerusalem vom heidnischen Joch befreit werden. Jerusalem, die heilige Stadt. Die Urmetropole der Christenheit, dort, wo Jesus

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