Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
gesiegt über die »mittelalterlich-düstere Welt des Sündenglaubens« der katholischen Kirche.
Vor 20000 Zuhörern in der Berliner Deutschlandhalle polterte Propagandaminister Joseph Goebbels am 28. Mai 1937 gegen »perverse Patres«, deren »Sexualpest mit Stumpf und Stil ausgerottet werden« müsse. Unter tosendem Beifall verkündete er: »In Deutschland herrscht nicht das Gesetz des Vatikans, sondern das Gesetz des deutschen Volkes.«
Zwar verstand sich die NSDAP nicht als religiöse Institution, gerierte sich aber als politische Glaubensbewegung. So tönte Robert Ley, der Leiter der Deutschen Arbeitsfront: »Wir glauben, dass der Nationalsozialismus der allein selig machende Glaube für unser Volk ist.«
Die NSDAP versuchte, den Kirchen jeglichen gesellschaftlichen Einfluss zu beschneiden. Der getaufte Katholik Adolf Hitler hatte in seinem Buch »Mein Kampf« seinen Parteigenossen empfohlen, »an der katholischen Kirche zu lernen«, was jedoch nur für Methoden, nicht für geistliche Inhalte gelten sollte.
An der katholischen Kirche bewunderte Hitler eine »staunenswerte Jugendlichkeit dieses Riesenorganismus, die geistige Schmiegsamkeit und stählerne Willenskraft«. Ihre »Widerstandskraft« schöpfe die Kirche vor allem aus dem »starren Festhalten an einmal niedergelegten Dogmen, die dem Ganzen erst den Glaubenscharakter verleihen«. Inspiriert von diesem Beispiel erklärte Hitler das 25-Punkte-Programm seiner Partei von 1920 für »unabänderlich«, sich selbst quasi für unfehlbar.
Die politische Trennungslinie zur Papstkirche zogen die Nazis indes eindeutig. Zwar forderte das Parteiprogramm die »Freiheit aller religiösen Bekenntnisse« und trat für ein nicht näher definiertes »positives Christentum« ein. Aber der führende Partei-Ideologe Alfred Rosenberg, ein baltendeutscher Protestant, verhöhnte in seinem Hauptwerk »Der Mythus des 20. Jahrhunderts« den Heiligen Vater als einen »sich Papst nennenden Medizinmann«. Kein Gott, sondern »die rassengebundene Volksseele« sei »das Maß aller unserer Gedanken, Willenssehnsucht und Handlungen, der letzte Maßstab unserer Werte«.
Im Gegenzug erklärte das Mainzer Generalvikariat 1930 Katholizismus und Nationalsozialismus für unvereinbar. Vor allem die »Überschätzung der germanischen Rasse und Geringschätzung alles Fremdrassigen« durch die NSDAP , die »bei vielen zu vollendetem Hass der fremden Rasse« führe, sei »unchristlich und unkatholisch«. Doch viele Katholiken ignorierten das Verdikt.
In einem geheimen Bericht für den Vatikan schrieb im September 1930 Cesare Orsenigo, der Apostolische Nuntius in Berlin, unter den Mitgliedern der NSDAP gebe es »ziemlich viele Katholiken«. Da hatte die Partei bei der Reichstagswahl gerade 18,3 Prozent erreicht. Positiv vermerkte der Nuntius den Kampf der Nazis gegen die Kommunisten und die »Flut des Sowjetismus«.
Vatikan und Klerus konnten nicht verhindern, dass der politische Arm des Katholizismus, die Zentrumspartei mit ihrem Ableger, der Bayerischen Volkspartei, immer schwächer wurde. Bei der letzten halbwegs freien Reichstagswahl am 5. März 1933 stimmten etwa 4 der 13 Millionen katholischen Wähler für die NSDAP und ermöglichten damit Hitlers Sieg.
Die Amtskirche versuchte zunächst, sich mit der neuen Macht zu arrangieren. Rund drei Wochen nach der Wahl revidierte der deutsche Episkopat seine ablehnende Haltung gegenüber der Hitler-Partei. Die Bischöfe verkündeten, die »Verbote und Warnungen« des Klerus vor den Nazis seien hinfällig geworden. Die Zentrumspartei verschaffte Hitler am 23. März 1933 im Reichstag die Mehrheit für sein »Ermächtigungsgesetz«, den Freifahrtschein in die Diktatur. Doch ihr Entgegenkommen rettete die Partei des politischen Katholizismus nicht: Das NS -Regime zwang sie und ihre bayerische Schwesterpartei, sich am 5. Juli 1933 aufzulösen, als letzte der bürgerlichen Parteien.
Der Führung der Weltkirche hatte Hitler da bereits ein Angebot gemacht, das diese nicht ablehnen mochte: den Abschluss eines Konkordats zwischen Deutschem Reich und Vatikan. Der Reichskanzler wusste, wie dringlich Rom ein solches Abkommen wünschte. In der Weimarer Republik waren alle Versuche der Kurie, ein Reichskonkordat abzuschließen, gescheitert, vor allem am Widerstand der Linken und Liberalen. Die fürchteten vor allem einen starken kirchlichen Einfluss auf die Schulen.
Als Mittelsmann für geheime Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl sandte Hitler seinen
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