Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
dem Deutschen Reich Adolf Hitlers nicht gelingen?
Vor allem der Titularbischof Alois Hudal, Rektor des Priesterkollegs Santa Maria dell’Anima in Rom, bemühte sich, die Nazis ideologisch zu infiltrieren. Der österreichische Theologe, der dem Kardinalstaatssekretär Pacelli zuarbeitete, war ein Meister des Doppelbödigen. In seiner Schrift »Die Grundlagen des Nationalsozialismus«, ab 1936 in mehreren Auflagen legal im »Dritten Reich« verlegt, verbeugte er sich tief vor dem »nationalen und sozialreformerischen Programm des Nationalsozialismus«.
Seine Anbiederung trieb Hudal recht weit. Zugleich empfahl der ungebetene Ratgeber den Nazis eine »Trennung der Politik vom Weltanschaulichen«. In der NSDAP müsse die »linksradikale« Richtung, »die hemmungslos vorwärts drängt«, von einem »rechten, mehr konservativen Flügel« eingedämmt werden. Sonst werde sich »das Wesen des Nationalsozialismus als Antichristentum« erweisen, warnte Hudal, der von den Nazis verlangte, sich weltanschaulich dem Vatikan zu unterwerfen. Die Kirche, versuchte der Geistliche die Nazis für Rom zu gewinnen, könne »niemals auf ihre ewige Führergabe verzichten, der Leuchtturm der Wahrheit zu sein«.
Hudal zitierte schon mal zustimmend aus Hitlers »Mein Kampf«, sorgte aber auch dafür, dass Rosenbergs »Mythus des 20. Jahrhunderts« 1934 auf den kirchlichen Index gesetzt wurde. Damit war Katholiken der Erwerb, der Besitz und die Lektüre des Buches formal verboten.
Je mehr jedoch die Rassendoktrin der NSDAP in eine mörderische Praxis mündete, vor allem nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, desto weniger realistisch waren Versuche, den Nationalsozialismus katholisieren zu wollen. Schon über den »antisemitischen Vandalismus« der Pogromnacht vom 9. /10. November 1938, als die Synagogen in Deutschland brannten, hatte der Berliner Nuntius Papst Pius XI . detailliert berichtet. Auch über die Massenmorde an Juden im besetzen Osteuropa erhielt der nach dem Tode Pius XI . 1939 gewählte Nachfolger Pius XII . aus Diplomatenberichten und seit 1942 auch aus britischen und amerikanischen Zeitungen ausführliche Informationen.
Der britische Gesandte beim Vatikan, Francis Osborne, und der rührige US -Geschäftsträger Harold Tittmann versuchten, den Papst zu einer öffentlichen Stellungnahme gegen Hitler zu bewegen. Doch das Oberhaupt der katholischen Kirche gab seine Neutralität im Krieg auch angesichts der Schreckensmeldungen nicht auf.
Hat der Papst damit zum Holocaust »geschwiegen«, wie der britische Journalist John Cornwell in seiner Biografie über Pius XII . und der Dramatiker Rolf Hochhuth in seinem Theaterstück »Der Stellvertreter« behaupten? Haben »der Papst und seine Umgebung« gar »verbrecherisches Handeln« gezeigt und »moralische Schuld auf sich geladen«, wie der amerikanische Politologe Daniel Goldhagen ihnen in seinem Buch »Die katholische Kirche und der Holocaust« vorwirft? Der Vatikan hat in jüngerer Zeit nie in einem Krieg Partei ergriffen oder Politiker namentlich als Verbrecher angeprangert. Päpste warnten meist nur allgemein vor Ideologien, nicht vor einzelnen Personen.
Dabei hatte Pius XII . bereits als Nuntius in der Weimarer Republik und ab 1930 in Rom als Kardinalstaatssekretär aus seiner Abneigung gegenüber den Nazis keinen Hehl gemacht. Er hatte in die Enzyklika seines Vorgängers gegen den Nationalsozialismus die Formulierung eingebracht, dieser »vergöttere« die Rasse und das Volk »mit Götzenkult«.
Maßgeblichen Nazis war bewusst, dass Pius XII . ihnen nicht wohlgesinnt war. So schrieb Albert Hartl, ein ehemaliger katholischer Priester, der die SD -Kirchenabteilung leitete, 1939 unter dem Pseudonym Alfred Harder in einer Broschüre, Pius XII . sei »im Geiste der Internationalität der Kirche befangen« und vertrete »in aller Stille und Vorsicht die Sache des Universalismus«, um damit »gegen die völkische Welt zu arbeiten«, gegen die Nazis und ihre Verbündeten.
Doch Pius XII ., der seine Empfindungen nicht offen zeigte, trat in seiner Weihnachtsansprache 1942 öffentlich aus seiner Rolle als Mann der stillen Diplomatie. Mahnend wies er auf »Hunderttausende von Menschen« hin, die »ohne eigene Schuld, zum Teil nur wegen ihrer Nationalität oder Rasse, dem schnellen oder langsamen Tod ausgeliefert« seien.
Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Italien rückten im Oktober 1943 SS -Schergen bis an die Vatikan-Mauern vor. Himmler befahl die Deportation der Juden aus Rom.
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