Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Gandolfo. Die Forschungs-Teleskope allerdings und das apostolische Wissenschaftlerteam sind mittlerweile in der Bergregion von Arizona ansässig: Dort trübt irdischer Staub noch weniger den frommen Blick aufs Firmament.
»Mit brennender Sorge«
Erst suchte sich der Vatikan mit dem Hitler-Regime zu arrangieren. Dann aber stellten sich die Päpste Pius XI. und Pius XII. gegen die Nazis und ihre Rassendoktrin.
Von Uwe Klußmann
Handschriftlich, um keinen Stenografen einweihen zu müssen, verfasste der Kardinal in Rom ein elf Seiten langes Manuskript. Den Auftrag dazu hatte er vom Papst persönlich, der selbst noch einmal an dem Text feilte. Ein diplomatischer Sonderbote brachte dann das im Vatikan gedruckte Dokument nach Deutschland, wo es nachts in kirchennahen Druckereien vervielfältigt wurde. Vertrauenswürdige Kuriere transportierten, oft über Wald- und Feldwege, die Kopien in die Pfarreien, manchmal wurde das geheime Papier konspirativ im Beichtstuhl übergeben.
Eine der spektakulärsten Geheimaktionen des Vatikans gelang: Am Palmsonntag, dem 21. März 1937, wurde die Botschaft des Papstes in allen 11500 katholischen Gemeinden des »Dritten Reiches« von den Kanzeln verlesen, 300000 Exemplare des Schreibens wurden an die Gläubigen verteilt.
In der Enzyklika »Mit brennender Sorge«, die der Münchner Erzbischof Michael von Faulhaber vorformuliert hatte, ging Papst Pius XI . scharf mit dem Regime Adolf Hitlers ins Gericht. Das Lehrschreiben – keine langatmige theologische Abhandlung, sondern eine klare Kampfschrift – verurteilte den Personenkult um den »Führer« und prangerte die »Irrlehre« des Nationalsozialismus an. Massiv attackierte der Oberhirte die »Weltanschauung« der Nazis: »Wer die Rasse, oder das Volk, oder den Staat, oder die Staatsform … zur höchsten Norm aller, auch der religiösen Werte macht und sie mit Götzenkult vergöttert, der verkehrt und fälscht die gottgeschaffene und gottbefohlene Ordnung der Dinge.«
Der Kirchenpolitik des NS -Regimes warf Pius XI . »Machenschaften« vor, »die von Anfang an kein anderes Ziel kannten als den Vernichtungskampf«. Das 1933 zwischen dem Vatikan und dem Deutschen Reich geschlossene Konkordat, das der katholischen Kirche Unabhängigkeit und unter anderem den Schutz konfessioneller Schulen sichern sollte, werde ständig gebrochen; die Regierung in Berlin habe »die mehr oder minder öffentliche Vertragsverletzung zum ungeschriebenen Gesetz des Handelns gemacht«. Katholiken, die sich den Nationalsozialisten angeschlossen hatten, rief der Papst zur Umkehr auf: »Der Tag wird kommen, wo das Grauen der Gottesferne und der seelischen Verwahrlosung über diesen heute verlorenen Söhnen zusammenschlagen« werde.
Die Enzyklika war die bis dahin massivste öffentliche Verdammung der NS -Ideologie, ihre Verbreitung eine Demütigung der braunen Machthaber. Reinhard Heydrich, Chef der Gestapo und des Sicherheitsdienstes ( SD ) der SS , schäumte. Er gab Anweisung, gegen alle vorzugehen, die das Papst-Schreiben gedruckt, verteilt oder verlesen hatten. Priester und Laien wurden zu Geld- und Haftstrafen verurteilt, viele kirchliche Druckereien enteignet.
Der SD instruierte seine Dienststellen, den katholischen Klerus verstärkt mit V-Männern zu durchsetzen. Den Spitzeln waren bisher, wie die SD -Führung monierte, Kurierwege und vertrauliche Schreiben katholischer Konspirateure oft verborgen geblieben.
Ende April 1937 gab das Propagandaministerium Order an die deutsche Presse, eine »großzügige Propagandaaktion gegen die katholische Kirche« zu eröffnen. Das NSDAP -Kampfblatt »Völkischer Beobachter« attackierte den Klerus an einer empfindlichen Stelle. Die Zeitung nahm seit 1936 laufende Prozesse gegen katholische Amtsträger wegen sexuellen Missbrauchs zum Anlass für grobschlächtige Angriffe. Unter der Überschrift »Kirchen und Klöster zu Lasterstätten erniedrigt« polemisierte das Regimeblatt gegen »Sexualverbrecher im Priestergewand«.
Besonders inbrünstig stürzten sich die Redakteure der SS -Zeitung »Das Schwarze Korps« in die Kampagne. Gunter d’Alquen, der 26-jährige Chefredakteur, nannte die Führung der katholischen Kirche eine »internationale Clique, die vom Jenseits nur spricht, um ihre recht irdischen Pläne zu vertuschen«. D’Alquen präsentierte seinen Hunderttausenden, vor allem jungen Lesern den Nationalsozialismus als moderne, auf Wissen gegründete Weltsicht. Diese »nordische Gesinnung« habe in Deutschland
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