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Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
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Vatikanischen Konzil zu mokieren; aber dieser Felsen ist in allen Jahrhunderten zugleich fest und flüssig gewesen und hat sich den unterschiedlichsten politischen Verhältnissen anpassen können: Der Papst war in der Antike ein römischer Staatsbeamter und im Mittelalter ein germanischer Feudalherr, er war barocker Souverän und antirevolutionäre Partei in den Bürgerkriegen des 19. Jahrhunderts, und er wurde im 20. Jahrhundert, nachdem ihn der Verlust des Kirchenstaates von den Fesseln italienischer Nationalpolitik befreit hatte, das Haupt einer global agierenden Non Governmental Organization. Ein Ende solcher Transformationen ist umso weniger abzusehen, als die großen Ideen der Neuzeit, die dem Papsttum gefährlich geworden waren, sämtlich in sich zusammengesunken sind – sollte die katholische Kirche wirklich über das Geheimnis einer Unüberwindlichkeit ihrer Regierungsform verfügen?
    Es ist manchmal aufschlussreicher, für die Kritik an einer Institution nach ihrer idealen Verwirklichung zu fragen, statt sich mit ihren Fehlern zu beschäftigen, denn Fehler gibt es immer und überall. In der Geschichte gab es Augenblicke, und nicht so seltene, in denen das Papsttum ein schier überwältigendes Bild an Weisheit und Schönheit vermittelte, die Vorstellung einer ganz von Spiritualität belebten überreichen Kultur, die es für möglich scheinen ließ, dass Güte, Sanftheit und Schönheit sich auf Dauer mit der Macht verbinden ließen. Aber wo war dann die Erde als »Tal der Tränen«, das sie nach christlicher Überzeugung ist? Ein nach seinen eigenen Begriffen gelungenes Papsttum – wäre das nicht »das Paradies auf Erden«, für das Christentum eine Unmöglichkeit? Es liegt in dem Ziel, die Welt sakramental ganz und gar zu durchdringen, den Geist sich ganz und gar in einer schönen Ordnung materialisieren zu lassen, die Gefahr, das Jenseits aus dem Auge zu verlieren, als liege das Jüngste Gericht schon hinter uns. Das war allerdings immer nur eine theoretische Gefahr; die Realität des »Tals der Tränen« hat sich stets schnell wieder durchgesetzt.
    IV. Dass Kaiser Konstantin der Große in Rom nicht nur drei mächtige Basiliken – die Lateranbasilika als römische Bischofskirche sowie Sankt Peter und Sankt Paul über den Gräbern der Apostelfürsten – gebaut habe, dass er dem Papst Silvester nicht nur den Kaiserpalast auf dem Lateran übergeben, sondern dass er ihm darüber hinaus noch das Land um Rom als Kirchenstaat geschenkt habe, diese »Konstantinische Schenkung« ist schon im Mittelalter als naive Fälschung entlarvt worden; man könnte aber ebenso gut von einem Märchen mit wahrem Kern sprechen, wie ihn die Märchen zu haben pflegen. Konstantin gründete seine neue Hauptstadt Konstantinopel und schuf dort einen neuen Senat, während der Papst im einstigen Kaiserpalast zurückblieb und eben nicht zum Hofkaplan des allmächtigen Kaisers wurde. Indem Konstantin Papst Silvester in Rom ließ, schenkte er ihm gleichsam Rom, so könnte man bildlich sehr wohl sagen, denn von diesem Augenblick an nahm die Freiheit der Päpste und ihre Inbesitznahme von Rom ihren Ausgang, wie lange die Stadt auch noch formal unter kaiserlicher Herrschaft blieb. Aber erst die Franken schufen ein eigenes Königreich für den Papst, weil nach germanischem Lehensrecht Grundeigentum immer mit Herrschaft verbunden war. Nun hatte der Stellvertreter dessen, dessen Reich nicht von dieser Welt war, ein Reich in dieser Welt.
    Unkritisiert blieb die weltliche Herrschaft der Päpste zu keiner Zeit. Dass die Kirche arm sein solle, dass der Vikar des Gekreuzigten ohnmächtig in der Welt zu sein habe, verkündeten die Juristen des Kaisers, die den Papst dem Kaiser unterwerfen wollten, aber auch die vielen Armutsbewegungen des Mittelalters; auch die größte Stimme der christlichen Kultur des Mittelalters, Dante Alighieri, forderte ein besitzloses Papsttum. Aber gerade zu seinen Lebzeiten – die Päpste waren in die Hand des französischen Königs geraten und hatten sich seinen Befehlen zu fügen – stellte sich der geistliche Nutzen einer päpstlichen Eigenstaatlichkeit besonders deutlich dar. Dass die katholische Kirche, die über alle Länder der Erde verbreitet ist, ein Territorium braucht, auf dem der Papst keines Herrschers Untertan und keiner Republik Bürger ist, unmittelbarem Zugriff der Mächtigen so weit entzogen, wie das auf Erden möglich ist – das Graduelle ist der Maßstab der Politik, nicht die Ideallösung –, das

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