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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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seine Männer hatten fast fünfzig Personen auf Villaris zurückgelassen – sie alle konnten nicht völlig spurlos verschwunden
     sein.
    Gerold schlug das Herz bis zum Hals, als plötzlich neue Hoffnung in ihm aufkeimte. Vielleicht lebte Johanna noch. Sie
mußte
noch leben. Vielleicht war sie irgendwo in der Nähe, hatte sich im Wald versteckt … oder sie war in die Stadt geflohen, zusammen
     mit den anderen!
    Gerold schwang sich mit einem Satz auf Pistis’ Rücken und rief seine Männer zusammen. Im Galopp ritten sie in die Stadt und
     verlangsamten das Tempo erst, als sie auf die leeren, verlassenen Straßen gelangten.
    Gerold und seine Männer verteilten sich und erkundeten die stillen Häuser der Stadt, die wie ausgestorben wirkte. Gerold selbst
     ritt mit Worak und Amalwin zum Dom. Die schweren Eichentüren standen offen und hingen schief in den zerbrochenen Angeln. Wachsam
     stiegen die Männer von den Pferden und näherten sich dem Domportal, die Schwerter in den Fäusten. Als sie die Treppe zum Portal
     hinaufstiegen, rutschte Gerold auf irgend etwas Glattem aus. Pfützen aus geronnenem Blut hatten sich auf den abgewetzten Holzstufen
     gebildet, die von einem unablässig tröpfelnden Rinnsal gespeist wurden, das aus dem Innern des Domes kam.
    Gerold trat ins Innere.
    Für einen gnädigen Augenblick sah er nur Umrisse; denn nach dem hellen Tageslicht mußten seine Augen sich erst an das schummrige
     Licht gewöhnen. Dann klärte sich sein Blick.
    Amalwin, der hinter ihm stand, übergab sich. Gerold |234| spürte, wie auch ihn Übelkeit packte, doch er schluckte schwer und kämpfte sie mit eisernem Willen nieder. Mit dem Ärmel bedeckte
     er Mund und Nase; dann ging er weiter vor ins Kircheninnere. Die vielen Leichen lagen so dicht beieinander, daß es kaum möglich
     war, einen Weg zwischen ihnen hindurch zu finden. Gerold hörte, wie Worak und Amalwin fluchten; er hörte das Geräusch seines
     eigenen, flachen Atems, doch er ging immer weiter und weiter, wie in einem Alptraum, und suchte sich einen Weg durch den gräßlichen
     Abfall aus menschlichen Leibern, ließ den Blick über die entstellten Gesichter schweifen.
    Unweit des Hochaltars stieß er auf die Angehörigen seines Haushalts. Da waren Wala, der Hofgeistliche, und Wido, der Haushofmeister.
     In der Nähe lag Irminon, eine Kammerzofe; ihr lebloser Arm hielt noch immer ihr totes Töchterchen umklammert. Als Worak, Irminons
     Ehemann, die beiden erblickte, stieß er ein lautes Heulen aus, fiel vor ihnen auf die Knie und umarmte sie, drückte die Hände
     auf ihre Wunden und beschmierte sich mit ihrem Blut.
    Gerold wandte sich ab. Sein Blick fiel auf einen vertrauten Schimmer: smaragdgrün und silbern. Richilds Diadem. Ihr Leichnam
     lag daneben, auf dem Rücken; ihr langes schwarzes Haar war wie ein Schleier über ihren Körper ausgebreitet. Gerold hob das
     Diadem auf und wollte es zurück an seinen Platz in Richilds Haar stecken, doch bei seiner Berührung drehte Richilds Kopf sich
     in einem völlig verrenkten Winkel zur Seite; dann fiel er zu Boden und rollte ein Stück über die steinernen Platten.
    Entsetzt sprang Gerold zurück und trat dabei auf einen anderen Leichnam, so daß er beinahe gestürzt wäre. Gerold schaute zu
     Boden. Zu seinen Füßen lag Dhuoda. Ihr kleiner Körper war verdreht, als hätte sie noch versucht, dem Hieb des Angreifers auszuweichen.
     Mit einem tiefen Stöhnen ließ Gerold sich neben seiner Tochter auf die Knie fallen. Zärtlich berührte er sie, streichelte
     ihr weiches Haar und bettete sie so, daß sie bequemer lag. Dann küßte er sie auf die Wange, strich ihr mit der Hand über die
     erloschenen Augen und schloß die Lider. Es war alles verkehrt. Dhuoda hätte irgendwann
ihm
diese letzte Ehre erweisen sollen; aber nicht er seiner kleinen Tochter.
    Voller düsterer Ahnungen und mit bleischweren Gliedern |235| erhob sich Gerold und nahm seine grausige Suche unter den Erschlagenen wieder auf. Johanna mußte hier irgendwo sein, bei den
     anderen Toten; er mußte sie finden.
    Gerold durchquerte das Kirchenschiff, blickte in jedes der starren, toten Gesichter und erkannte in jedem einzelnen die vertrauten
     Züge eines Stadtbewohners, Nachbarn oder Freundes. Johanna aber fand er nicht.
    Konnte es sein, daß sie wie durch ein Wunder entkommen war? Gerold wagte es kaum zu hoffen. Er nahm die Suche wieder auf.
    »Herr! Herr!« riefen plötzlich drängende, laute Stimmen draußen vor dem Dom. Gerold erreichte den

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