Die Päpstin
Haupteingang in dem Augenblick,
als der Rest seiner Männer herangeritten kam.
»Normannen, Herr! Droben, an der Küste! Sie beladen ihr Schiff, und …«
Doch Gerold war schon aus der Tür und rannte zu Pistis.
In halsbrecherischer Geschwindigkeit ritten sie zur Küste. Die Hufe ihrer Pferde trommelten auf dem harten Boden der Straße.
Die Männer verschwendeten keinen Gedanken an einen möglichen Überraschungsangriff; Trauer und Wut peitschten sie voran, und
sie sannen nur auf Rache.
Als sie um eine Biegung galoppierten, sahen sie ein langes, flachgebautes Schiff mit einem hoch emporragenden Bug; er war
aus Holz gehauen und sah wie der riesige Kopf eines Drachens mit geöffnetem Maul und langen, gebogenen Zähnen aus. Die meisten
Normannen waren bereits an Bord, doch eine Gruppe befand sich noch an der Küste, um das Schiff zu bewachen, während es mit
den letzten Beutestücken beladen wurde.
Mit einem gewaltigen, donnernden Schlachtruf spornte Gerold Pistis an und hielt seinen Speer wurfbereit. Seine Männer folgten
ihm dichtauf. Die unberittenen Normannen warfen sich schreiend zur Seite; einige stolperten, als sie versuchten, in Sicherheit
zu kommen; andere gerieten unter die Pferdehufe und wurden zertrampelt. Gerold hob seinen Speer, dessen Spitze mit Widerhaken
versehen war, und zielte auf den Normannen, der ihm am nächsten war, einen Riesen mit goldenem Helm und gelbem Bart. Der Hüne
drehte sich um und riß seinen Schild hoch, und Gerolds Speer schmetterte dröhnend dagegen.
|236| Plötzlich war die Luft von sirrenden Pfeilen erfüllt; die Normannen schossen auf die Angreifer. Pistis stieß ein grelles Wiehern
aus; dann fiel er zu Boden. Aus einem Auge des Pferdes ragte ein gefiederter Schaft. Gerold hatte sich aus dem Sattel geworfen,
noch bevor Pistis stürzte, kam aber unglücklich mit dem linken Fuß auf. Er zog sein Schwert und ging hinkend auf den gelbbärtigen
Riesen los, der davonstapfte und sich mühte, Gerolds Speer aus seinem Schild zu ziehen. Gerold stellte den Fuß auf das Ende
des Speeres, als dieser über den Boden schleifte, so daß dem Normannen der Schild aus der Hand gerissen wurde. Der Riese blickte
Gerold verdutzt an und hob dann seine Axt, doch es war zu spät. Mit einem wuchtigen Schwertstoß traf Gerold ihn ins Herz.
Ohne zu beobachten, wie der Gegner tot zu Boden fiel, wirbelte Gerold herum und streckte einen weiteren Normannen nieder,
indem er ihm den Schädel spaltete. Das Blut des Mannes spritzte Gerold ins Gesicht, und er mußte sich über die Augen wischen,
um wieder sehen zu können. Er befand sich nun im Zentrum des Schlachtgetümmels, hob sein Schwert, drang auf die Gegner ein
und hieb blindlings um sich, mit wuchtigen, wilden Schlägen. Alle Trauer, alle Wut und aller Haß auf die Mörder brachen sich
Bahn, und ein Gegner nach dem anderen sank von Gerolds Schwert getroffen zu Boden.
»Sie legen ab! Sie legen ab!« Die Rufe seiner Männer hallten in Gerolds Ohren; er blickte zur Küste und sah, wie das Drachenboot
davonglitt; sein rotes Segel flatterte im Wind. Die Normannen ergriffen die Flucht.
Eine reiterlose braune Stute mit schwarzer Mähne tänzelte nervös auf der Stelle, nur ein paar Schritt entfernt. Gerold schwang
sich in den Sattel. Das Tier sprang und bockte, doch Gerold konnte sich auf dem Pferderücken halten, die Fäuste fest an den
Zügeln. Die braune Stute spürte die kräftige Hand des erfahrenen Reiters und beruhigte sich. Sofort preschte Gerold auf dem
Pferd zur Küste. Er rief seinen Männern zu, ihm zu folgen; dann trieb er die Stute geradewegs ins Wasser. Vom Sattel des Pferdes
baumelte ein unbenutzter Speer herab. Gerold packte ihn und schleuderte ihn mit solcher Wucht, daß es ihn um ein Haar nach
vorn über den Hals des Tieres gerissen hätte. Der Speer zischte durch die Luft; die eiserne Spitze funkelte im Sonnenlicht.
Dicht vor dem grinsenden Drachenmaul fuhr der Speer ins Wasser.
|237| Hämisches Lachen klang vom Schiff herüber. In ihrer rauhen, kehligen Sprache riefen die Normannen dem Gegner spöttische Bemerkungen
zu. Zwei von ihnen hoben ein goldenes Bündel in die Höhe, damit Gerold es sehen konnte – nur, daß es kein Bündel war, sondern
eine Frau, die schlaff zwischen den kräftigen Armen der Männer hing. Eine junge Frau mit rotbraunem Haar …
»Gisla!« brüllte Gerold gequält, als er seine Tochter erkannte. Was hatte sie in Dorstadt gewollt? Weshalb war sie
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