Die Päpstin
erbebte unter den trommelnden Hufen, und ohrenbetäubender Donner brandete über das Feld.
Die Banner der kaiserlichen Vorhut hoben und senkten sich, gaben das Zeichen zum Gegenangriff. Lothars Reiterei sprengte voran;
die Hufe der Pferde zerfetzten den samtenen grünen Wiesenboden und wirbelten Erde und Grassoden in die Höhe, während die Tiere
mit vorgerecktem Hals dahinpreschten.
Gerolds Rotbrauner zerrte nervös an den Zügeln, und nur mit Mühe konnte er das Tier zurückhalten. »Noch nicht, mein Junge!«
rief er. Gerold und seine Männer mußten noch warten; der linke Flügel sollte zuletzt in die Schlacht eingreifen – erst, wenn
Lothars und Pippins Heeresteile die Schlacht aufgenommen hatten.
Wie zwei riesige Wogen bewegten die feindlichen Armeen sich aufeinander zu, beide etwa vierzigtausend Mann stark – der Stolz
des fränkischen Adels ritt Knie an Knie in dicht geschlossenen Formationen von knapp tausend Meter Breite und ungefähr gleicher
Tiefe.
Plötzlich brach mit wildem Geschrei eine Reitergruppe aus der kaiserlichen Formation aus. Die Männer spornten ihre Pferde
zu einem ungeordneten Angriff an. Jeder wollte der vorderste Reiter sein, der den Feind vor den Augen des Kaisers als erster
in den Kampf verwickelte.
Gerold beobachtete das Geschehen voller Zorn und Bedauern. Falls die Männer ihren Angriff fortführten, würden sie |301| den Bach, der das Schlachtfeld durchschnitt, zu früh erreichen. Dann mußten sie die Pferde durch das Wasser treiben, während
der Feind sie vom festen Untergrund des gegenüberliegenden Ufers aus angreifen konnte.
Leichtsinnig vom vielen Wein und von jugendlichem Draufgängertum erfüllt, ritten die Männer geradewegs auf den Bach zu und
prallten mit furchtbarer Wucht auf die Reihen des Feindes. Obwohl in erheblichem Nachteil, kämpften die kaiserlichen Soldaten
mit verwegenem Mut. Sie mußten ihre Schläge und Stiche von unten führen, aus dem Bach heraus zum Ufer hoch, und noch dazu
auf schwankendem Boden; denn ihre Pferde glitten auf den glatten Steinen im Bachbett immer wieder aus. Diejenigen, die der
Feind aus dem Sattel holte, stürzten ins Wasser; viele wurden von den eigenen, panikerfüllten Pferden zu Tode getrampelt,
da es den Männern nicht gelang, im Schlamm – und noch dazu in ihren schweren Rüstungen – wieder auf die Beine zu kommen.
Die Soldaten in den nachrückenden Reihen sahen, was vor ihnen geschah, doch sie stürmten zu schnell vor, als daß sie den Angriff
noch hätten abbrechen können, ohne von den Kameraden hinter ihnen niedergeritten zu werden. So waren sie gezwungen, die schlammige
Uferböschung hinunter ins schäumende Wasser zu springen, das nun rot von Blut wurde, wobei die Nachrückenden die Überlebenden
der ersten Angriffswelle an das gegenüberliegende Ufer drückten, wo die Feinde sie von oben mit Speerstichen und Schwerthieben
töteten.
Nur die Nachhut der Reiterei, in der sich nun auch Lothar befand, konnte rechtzeitig haltmachen; die Männer rissen ihre Pferde
herum und flüchteten in Gegenrichtung über das Schlachtfeld – in wildem, undiszipliniertem Galopp, so daß sie in die Reihen
der eigenen Fußsoldaten preschten, die hinter ihnen heranmarschiert kamen und sofort in wirre Unordnung gerieten; die Männer
schleuderten ihre Waffen weg und warfen sich zur Seite, um nicht unter die wirbelnden Hufe der Pferde zu geraten.
Es war eine katastrophale Niederlage. Die einzige Hoffnung waren jetzt die beiden Flügel, die von Gerold und Pippin geführt
wurden. Von den Höhenzügen aus konnten sie ihren Angriff
hinter
den Bach führen und sofort gegen Ludwigs Truppen im Zentrum des feindlichen Heeres losschlagen. Doch als |302| Gerold zum gegenüberliegenden Höhenzug schaute, sah er, daß Pippin und seine Aquitanier sich umgewandt hatten und mit dem
Rücken zum Schlachtfeld kämpften. Offenbar hatte König Karl den Höhenzug auf der rechten Seite umrundet und Pippin von hinten
attackiert.
Der rechte Flügel war verloren.
Verzweifelt schaute Gerold wieder nach vorn aufs Schlachtfeld. Die meisten von Ludwigs Soldaten hatten inzwischen den Bach
durchquert und die Verfolgung Lothars und seiner flüchtenden Truppenreste aufgenommen. Dabei hatte Ludwig seine Reihen jedoch
weit auseinandergezogen, so daß der König selbst für den Augenblick fast ungeschützt war. Die Chance stand eins zu tausend,
doch eine noch so kleine Chance war besser als gar keine.
Gerold erhob sich in
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