Die Päpstin
den Steigbügeln und reckte seine Lanze empor. »Vorwärts!« brüllte er. »Im Namen des Kaisers!«
»Es lebe der Kaiser!« Der Ruf erhob sich wie ein Donnerhall, als Gerold mit den Männern des linken Flügels den Hang hinunterstürmte
– ein riesiger Keil, dessen Spitze genau auf den Punkt zielte, an dem König Ludwigs Standarte blutrot und blau im sommerlichen
Sonnenlicht erstrahlte.
Der Trupp Soldaten, der in der Nähe des Königs geblieben war, strömte hastig zusammen, um einen Schutzwall zu bilden, doch
Gerolds Angriffskeil sprengte die Mauer aus Leibern und schlug eine Bresche durch die feindlichen Reihen.
Gerold richtete die Lanze auf den ersten Gegner, einen Berittenen, und durchbohrte ihm mit einem so wuchtigen Stoß die Brust,
daß der Schaft der Lanze zersplitterte. Der Mann stürzte kopfüber aus dem Sattel und riß die zerschmetterte Lanze mit zu Boden.
Nur mit dem Schwert bewaffnet, stürzte Gerold sich voller wilder Entschlossenheit voran, hieb mit wuchtigen, weit ausholenden
Schlägen nach links und rechts, stach und hackte sich den Weg frei in Richtung der flatternden Standarten des feindlichen
Königs. Gerolds Männer griffen derweil von den Seiten und von hinten an und verbreiterten die Schneise, die zu Ludwig führte.
Langsam, Meter um Meter, wichen Ludwigs Wachen vor der Attacke zurück; Mann um Mann fiel unter den Streichen der Angreifer.
Dann, von einem Augenblick zum anderen, war der Weg frei. Unmittelbar vor Gerold erhob sich die königliche Standarte: sechs
rote Rosen auf blauem Untergrund. Davor |303| saß König Ludwig auf einem Schimmel. Gerold trieb seinen Braunen darauf zu.
»Ergebt Euch!« rief er, um den Kampfeslärm zu übertönen. »Ergebt Euch, und Ihr bleibt am Leben!«
Als Antwort schlug Ludwig mit dem Schwert zu. Gerold wehrte den Hieb ab, und verbissen kämpften sie Mann gegen Mann – ein
Gefecht zweier Gegner, die sich an Kraft und Waffenkunst gleichwertig waren. Plötzlich stürzte in der Nähe ein Pferd zu Boden,
von einem Pfeil getroffen, so daß Gerolds Brauner mit schrillem Wiehern scheute. Sofort nutzte Ludwig den kurzzeitigen Vorteil,
indem er einen genau gezielten Hieb auf Gerolds Hals führte. Doch Gerold duckte sich und attackierte seinerseits: Unter dem
vorgereckten Schwertarm Ludwigs hindurch stieß er dem Gegner die Klinge zwischen die Rippen.
Ludwig hustete; ein Schwall Blut schoß ihm aus dem Mund. Langsam kippte er zur Seite, rutschte aus dem Sattel und schlug dumpf
auf den zerwühlten Boden, wobei sein rechter Fuß im Steigbügel hängenblieb.
»Der König ist tot!« riefen Gerolds Männer jubelnd. »Ludwig ist tot!« Der Ruf pflanzte sich fort, von Mann zu Mann, von Reihe
zu Reihe.
Ludwigs Pferd stieg auf die Hinterläufe und ließ die Vorderhufe durch die Luft wirbeln. Dann preschte das Tier los und schleifte
den Leichnam des Königs über den aufgerissenen Grasboden. Der runde fränkische Helm mit dem flachen Nasenschutz löste sich
vom Kopf des Leichnams. Ein im Tod verzerrtes, breites, vollkommen unbekanntes Gesicht kam zum Vorschein.
Gerold fluchte. Es war der Trick eines Feiglings, eines Königs unwürdig: Der Tote war nicht Ludwig, sondern ein Doppelgänger,
der wie der König selbst gerüstet und gekleidet war, um die Feinde zu täuschen.
Doch es blieb keine Zeit, mit dem Schicksal zu hadern, denn augenblicklich waren der überraschte Gerold und seine Männer von
Ludwigs Truppen umringt. Indem sie einander die Flanken deckten, versuchten Gerold und seine Leute, durch einen massiven Gegenangriff
den Ausbruch zu schaffen. Mit wilder Entschlossenheit kämpften sie sich bis zum äußeren Rand des Ringes vor.
Für einen winzigen Moment sah Gerold das Grün der Wiese, atmete die frische, würzig duftende Luft. Sie hatten |304| den Durchbruch fast geschafft! Nur noch wenige Meter, und das offene Feld und ein freier Fluchtweg lagen vor ihnen.
Plötzlich sprang ein feindlicher Soldat Gerold in den Weg und stellte sich ihm entschlossen entgegen. Mit raschem Blick schätzte
Gerold den Gegner ab – ein großer Mann, massig, mit breiten Schultern und gewaltigen Armen, der unerschütterlich wie eine
Eiche dastand und einen Streitkolben schwang, eine Waffe, deren Einsatz vor allem Kraft erforderte, aber nur wenig Geschick.
Gerold täuschte mit dem Schwert einen Schlag auf die linke Körperseite an; als der Mann nach rechts auswich und den Streitkolben
zum Gegenangriff hob, führte Gerold einen
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