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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Ruhm seines eigenen Pontifikats verzeichnet sein.
    Wie stolz sein Vater Arsenius dann auf ihn sein würde! Wenngleich Anastasius’ Familie im Laufe der Jahre viele Titel und Ehren
     angehäuft hatte, war ihr die höchste aller Würden – das Papstamt – versagt geblieben. Einmal hatte es fast so ausgesehen,
     als könne Arsenius den Papstthron erobern; dann aber hatten die Zeit und die Umstände sich gegen ihn verschworen, und die
     Chance war ungenutzt verstrichen.
    Jetzt lag es an Anastasius. Er mußte und er
würde
das Vertrauen seines Vaters rechtfertigen, indem er der neue Papst und Bischof der Stadt Rom wurde.
    Nicht sofort, versteht sich. Mochte Anastasius’ Ehrgeiz noch so groß sein – natürlich wußte er, daß seine Zeit noch nicht
     gekommen war. Mit seinen dreißig Jahren hatte er gerade erst das Mindestalter für die Priesterwürde erreicht. Und sein Amt
     als päpstlicher
nomenclator
brachte ihm zwar eine außerordentliche Machtfülle, doch es war ein zu weltlicher Posten, als daß Anastasius von dort aus sofort
     den Sprung auf den Papstthron hätte tun können.
    Doch seine Lage würde sich bald schon ändern. Papst Gregor lag auf dem Sterbebett. Sobald die übliche Trauerzeit vorüber war,
     würde man den neuen Papst wählen – eine Wahl, |332| deren Ausgang Arsenius durch eine geschickte Verbindung von Diplomatie, Bestechung und Drohung bereits vorherbestimmt hatte.
     Sergius, Kardinal und Priester an der Kirche Sankt Martin, würde zum neuen Papst gewählt werden – der schwache und korrupte
     Abkömmling einer adeligen römischen Familie. Im Unterschied zu Gregor wußte Sergius seinen Dank gegenüber jenen Menschen auszudrücken,
     die ihm zu seinem Amt verholfen hatten: Schon bald nach der Papstwahl würde Anastasius zum Bischof von Castellum ernannt werden
     – eine ideale Ausgangsposition für den Aufstieg auf den Papstthron, wenn Sergius’ Amtszeit erst geendet hatte.
    Es war ein rundum schönes und harmonisches Bild, das nur einen Fehler hatte: Gregor lebte noch. Wie ein alternder Weinstock,
     der seine Wurzeln immer tiefer ins Erdreich gräbt, um an die letzten Tropfen Feuchtigkeit im ausgetrockneten Boden heranzukommen,
     klammerte der alte Mann sich hartnäckig an das Leben. Klug und umsichtig, beschaulich und vorsichtig im Privatleben wie auch
     im Amt des Papstes, beschritt Gregor nun auch das letzte Stück seines irdischen Weges mit einer Bedächtigkeit, die Anastasius
     und seinen Vater zur Weißglut brachte.
    Gregor hatte siebzehn Jahre regiert, länger als jeder Papst seit Leo dem Dritten, seligen Angedenkens. Er war ein frommer,
     bescheidener, sanftmütiger und braver Mann, der von den Römern geliebt wurde; stets war er ein besorgter Schutzherr der Einwohner
     der heiligen Stadt gewesen; er hatte den Massen verarmter Pilger zahllose Unterkünfte zur Verfügung gestellt, und er hatte
     Flüchtlingen Schutz gewährt und darauf geachtet, daß die Almosen an allen Festtagen und bei den Prozessionen großzügig unters
     Volk gebracht wurden.
    Anastasius betrachtete Gregor mit einer Mischung aus verschiedenen Gefühlen: Respekt, Neid und – zu gleichen Teilen – Staunen
     und Verachtung. Staunen über die Aufrichtigkeit des Glaubens und die Frömmigkeit dieses Mannes; Verachtung für seinen schlichten,
     langsam arbeitenden Verstand und seine Naivität, die ihn zu einem leicht zu beeinflussenden Menschen gemacht hatten, der Täuschungen
     und Verstellungen rasch zum Opfer fiel. Auch Anastasius hatte sich die Leichtgläubigkeit des Papstes oft zunutze gemacht;
     am erfolgreichsten damals, auf dem Feld der Lügen, als er die Friedensverhandlungen zwischen Gregor und dem fränkischen Kaiser |333| Ludwig verraten hatte. Diese kleine Kriegslist hatte sich bezahlt gemacht: Der Nutznießer des Verrats, Ludwigs Sohn Lothar,
     hatte seinen Dank in klingender Münze entrichtet. Seither war Anastasius ein sehr reicher Mann. Und was noch wichtiger war:
     Er hatte sich das Vertrauen und die Unterstützung Lothars erworben – ein Bündnis, das sich nun, da Lothar seine Brüder aus
     dem Feld geschlagen und den Kaiserthron erobert hatte, als höchst gewinnbringend erweisen würde.
    Glockengeläut riß Anastasius aus seinen Gedanken. Die Glocken läuteten einmal, zweimal – und ein drittes Mal. Triumphierend
     schlug Anastasius sich auf die Schenkel. Endlich!
    Er hatte bereits den Trauerumhang angelegt, als das erwartete Klopfen an der Tür ertönte. Mit leisen Schritten kam ein

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