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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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berührte; sie massierten seine geschwollenen
     Glieder mit Öl, das aus einer Lampe stammte, die eine ganze Nacht lang am Grab des heiligen Petrus gebrannt hatte – ein Mittel,
     das bekanntermaßen die schlimmsten Krankheiten besiegte, hier jedoch versagte -; sie ließen ihn mehrmals zur Ader und entschlackten
     seinen Körper mit derart starken Brechmitteln, daß er von wilden Krämpfen geschüttelt wurde. Als dies alles keinen Erfolg
     zeitigte, versuchten die Ärzte, Sergius’ Schmerz durch ein Gegenreizmittel zu vertreiben, indem sie ihm Streifen aus brennendem
     Flachs auf die Beinvenen legten.
    Nichts half. Als der Zustand des Papstes sich weiter verschlechterte, wurden die Bewohner Roms von Furcht gepackt: Falls Sergius
     so kurze Zeit nach seinem Vorgänger starb, so daß der Thron des heiligen Petrus schon wieder vakant wurde, konnte es geschehen,
     daß der fränkische Kaiser Lothar die Gelegenheit beim Schopf packte, über die Stadt herfiel und die Römer seiner kaiserlichen
     Macht unterwarf.
    Auch Sergius’ Bruder Benedikt hatte Sorgen, die sich allerdings nicht auf irgendwelche geschwisterlichen Gefühle gründeten;
     sie waren vielmehr auf die Bedrohungen zurückzuführen, die Benedikts eigenen Interessen durch die Erkrankung des Bruders entstanden.
     Nachdem er Sergius davon überzeugen konnte, ihn mit der hohen Stellung eines päpstlichen
missus
zu betrauen, hatte Benedikt dieses Amt geschickt dazu benutzt, nach und nach die gesamte päpstliche Macht an sich zu reißen
     – mit dem Ergebnis, daß Sergius nach den ersten fünf Monaten auf dem Heiligen Stuhl nurmehr dem Namen nach Papst war; die
     tatsächliche Macht in Rom hielt Benedikt in Händen – was unter anderem eine erhebliche Zunahme seines Privatvermögens zur
     Folge hatte.
    Benedikt hätte es jedoch vorgezogen, auch faktisch den Titel und das Amt des Papstes innezuhaben; doch er hatte immer schon
     gewußt, daß er nicht zum Nachfolger des heiligen |338| Petrus geeignet war. Weder besaß er die erforderliche Bildung, noch hatte er den nötigen Schliff für ein so hohes Amt. Benedikt
     war ein zweitgeborener Sohn, und in Rom war es nicht üblich, den Besitz, die Titel und die Ämter unter den Erben aufzuteilen,
     so, wie man es im Frankenreich hielt. Als Erstgeborenem waren Sergius das Vermögen und sämtliche Privilegien der Familie übertragen
     worden; dazu hatten auch die Privatlehrer gezählt, so daß Sergius im Unterschied zu seinem Bruder Benedikt ein Mann von hoher
     Bildung war. Es war schrecklich ungerecht; aber man konnte nun mal nichts dagegen unternehmen. Nach einiger Zeit hatte Benedikt
     denn auch zu schmollen aufgehört und Trost in eher weltlichen Vergnügungen gesucht, an denen es in Rom nicht mangelte, wie
     er rasch feststellte. Seine Mutter hatte sich zwar verärgert über die Ausschweifungen des jüngeren Sohnes gezeigt, hatte aber
     keinen Versuch unternommen, sie zu unterbinden; ihre Hoffnungen und Wünsche hatten immer schon auf Sergius geruht.
    Jetzt aber waren die langen Jahre endlich vorbei, da Benedikt um des Bruders willen hatte zurückstecken müssen. Die Ernennung
     zum päpstlichen
missus
zu erwirken, war kein Problem gewesen, zumal Sergius ohnehin ein schlechtes Gewissen hatte, dem jüngeren Bruder vorgezogen
     worden zu sein. Alles andere war kein Problem gewesen. Benedikt wußte, daß sein Bruder schwach war; doch daß es
so
leicht sein würde, Sergius zu bestechen, hatte nicht einmal Benedikt erwartet. Nach den vielen Jahren des harten Studiums
     und des mönchischen, asketischen Lebens war Sergius nur zu begierig darauf gewesen, auch einmal die Sonnenseiten des Lebens
     zu genießen. Benedikt versuchte jedoch gar nicht erst, seinen Bruder mit Frauen vom Pfad der Tugend zu locken, denn Sergius
     hielt standhaft am Ideal der priesterlichen Keuschheit fest. Seine Einstellung, was die Enthaltsamkeit betraf, konnte man
     beinahe schon als Besessenheit bezeichnen, so daß Benedikt höllisch hatte aufpassen müssen, seine eigenen sexuellen Ausschweifungen
     vor dem Bruder geheimzuhalten, um die Wahl zum päpstlichen
missus
und seine weiteren Pläne nicht zu gefährden.
    Doch Sergius hatte eine andere Schwäche: einen unstillbaren Appetit auf gutes Essen und Trinken. Dieses Wissen nutzte Benedikt
     geschickt aus, indem er seine eigene Machtbasis festigte, während er die Aufmerksamkeit des Bruders |339| durch eine nicht abreißende Flut von Gaumenfreuden ablenkte. Es war ungeheuerlich, welche

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