Die Päpstin
Leute werden Euch den Treueid leisten, Euer Gnaden. Ich werde dafür sorgen.«
Johanna spürte, wie eine Woge der Furcht in ihr aufstieg. Lothar und Anastasius hatten soeben einen regelrechten Kuhhandel
über das Papstamt abgeschlossen, so, wie zwei Händler auf dem Viehmarkt. Als Gegenleistung für die Privilegien der Macht hatte
Anastasius sich einverstanden erklärt, die Römer der Kontrolle durch den fränkischen Kaiser auszuliefern.
Jemand klopfte an die Tür, und der Diener Lothars kam in die Kapelle.
»Der Markgraf ist soeben eingetroffen, Euer Gnaden.«
»Führe ihn her. Der Bischof und ich haben unsere … Probleme bereinigt.«
Ein Mann trat ein, in die
brunia
eines Soldaten gekleidet. Er war hochgewachsen und sah blendend aus; sein langes Haar war rot, und seine Augen strahlten indigoblau.
Gerold.
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|399| 23.
Ein fassungsloser Schrei kam über Johannas Lippen. »Wer ist da?« rief Lothar mit scharfer Stimme.
Langsam trat Johanna hinter der Säule hervor. Lothar und Anastasius blickten sie verwundert an.
»Wer seid Ihr?« wollte Lothar wissen.
»Johannes Anglicus, Euer Gnaden. Priester und Leibarzt Seiner Heiligkeit Papst Sergius’.«
Lothar fragte mißtrauisch: »Wie lange seid Ihr schon hier unten?«
Johanna dachte rasch nach. »Seit mehreren Stunden, Hoheit. Ich bin hierhergekommen, um für die Gesundheit des Heiligen Vaters
zu beten. Doch meine Müdigkeit war offenbar größer, als ich dachte, denn ich bin eingeschlafen und gerade erst erwacht.«
Lothar musterte Johanna mißbilligend. Wahrscheinlicher war, daß dieser kleine Priester in der Kapelle gefangen wurde, als
er und Anastasius hereingekommen waren. Hier gab es keinen Platz, an den er sich hätte flüchten oder wo er sich hätte verstecken
können. Aber im Grunde spielte es keine Rolle. Denn wieviel hatte dieser Priester schon hören und – was noch wichtiger war
– begreifen können? Sehr wenig. Nein, dieser Mann stellte keine Gefahr dar; offensichtlich war er nur ein kleiner, unbedeutender
Geistlicher. Es war am besten, ihn nicht weiter zu beachten.
Anastasius dagegen war zu einem anderen Schluß gelangt. Offensichtlich hatte dieser Johannes Anglicus gelauscht. Aber warum?
War er ein Spitzel? Nicht für Sergius, soviel stand fest. Dem Papst mangelte es an Verschlagenheit, Spitzel einzusetzen. Aber
wenn der Mann nicht für Sergius spionierte, für wen dann? Und weshalb? Anastasius beschloß, diesen kleinen ausländischen Priester
von nun an scharf beobachten zu lassen.
Auch Gerold betrachtete Johanna verwundert. »Ihr kommt mir bekannt vor, Vater«, sagte er. »Haben wir uns schon einmal |400| gesehen?« Angestrengt musterte er sie im trüben Licht. Plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck; er starrte Johanna
an wie jemand, der soeben ein Gespenst gesehen hatte. »Mein Gott«, sagte er mit heiserer Stimme. »Das kann doch nicht wahr
sein …«
»Kennt Ihr Euch?« fragte Anastasius.
»Wir haben uns einmal in Dorstadt getroffen«, sagte Johanna rasch. »Ich habe dort einige Jahre an der Domschule studiert.
Meine
Schwester
…«, sie betonte das Wort kaum merklich, »… hat während dieser Zeit bei Markgraf Gerold und seiner Familie gewohnt.«
Ihre Augen blitzten Gerold eine stumme Warnung zu:
Sag nichts.
Sofort hatte Gerold sich wieder in der Gewalt. »Ja, natürlich«, sagte er. »Ich kann mich noch gut an Eure Schwester erinnern.
Aber …«
»Genug jetzt«, unterbrach Lothar ihn ungeduldig. »Was habt Ihr mir zu berichten, Graf?«
»Meine Botschaft ist nur für Eure Ohren bestimmt, Euer Gnaden.«
Lothar nickte. »Also gut. Die anderen können gehen. Wir reden später weiter, Anastasius.«
Als Johanna sich zum Gehen wandte, berührte Gerold sie am Arm. »Wartet auf mich. Ich würde gern mehr über … Eure Schwester
erfahren.«
Vor der Kapelle angelangt, ging Anastasius sofort seiner Wege. Johanna wartete nervös auf dem Flur, unter den neugierigen
Blicken von Lothars Diener. Die Situation war äußerst gefährlich. Ein unbedachtes Wort, und Johannas wahre Identität war enthüllt.
Ich sollte fortgehen, bevor Gerold aus der Kapelle kommt,
sagte sie sich, sehnte sich aber viel zu sehr danach, ihn zu sehen. Also blieb sie, wo sie war, von einer Mischung aus Furcht
und freudiger Erwartung erfüllt.
Dann wurde die Tür der Kapelle geöffnet, und Gerold erschien. »Bist du es
wirklich?«
fragte er. »Aber wie …?«
Lothars Diener beobachtete sie neugierig.
»Nicht
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