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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Ämtern, alles glatt und reibungslos vonstatten ging. Mit den Jahren war Arighis zu der Ansicht gelangt, daß man den päpstlichen
     Hof tatsächlich als eine Art gewaltiges Lebewesen betrachten konnte, als uraltes Geschöpf, dessen zukünftiges Wohlergehen
     allein in seiner, Arighis’ Verantwortung lag.
    |405| Und dieses Wohlergehen war bedroht. In weniger als einem Jahr hatte Benedikt den päpstlichen Hof in ein Zentrum der Korruption,
     des Machthandels und des Ämterkaufs verwandelt. Habgierig, durchtrieben und rücksichtslos, war Benedikt zu einer bösartigen
     Geschwulst im Leib der Kirche geworden, und die einzige Möglichkeit, den Patienten zu retten, bestand darin, diese Geschwulst
     zu entfernen. Benedikt mußte sterben.
    Sergius war nicht hart und entschlossen genug, den Hinrichtungsbefehl zu erteilen; deshalb fiel es Arighis zu, diese Last
     auf seine Schultern zu nehmen – was er ohne Zögern tat, wußte er doch, daß er im Interesse der heiligen Mutter Kirche handelte.
    Alles war bereit. »Holt den Gefangenen«, befahl Arighis den Wachen.
    Benedikt wurde auf den Hof geführt. Seine prächtige Kleidung war schmutzig und zerknittert, sein Gesicht müde und ausgezehrt
     von einer schlaflosen Nacht im Kerker. Er ließ den Blick über den Hof schweifen. »Wo ist Sergius?« fragte er scharf. »Wo ist
     mein Bruder?«
    »Seine Heiligkeit darf nicht gestört werden«, sagte Arighis.
    Benedikt fuhr zu ihm herum. »Was glaubt Ihr, was Ihr tut, Arighis? Ihr habt meinen Bruder gestern abend doch gesehen! Er war
     betrunken; er wußte nicht mehr, was er sagte. Laßt mich mit ihm reden, und Ihr werdet sehen, daß er das Urteil gegen mich
     zurücknimmt.«
    »Fangt an«, befahl Arighis den Wachen.
    Die Männer zerrten Benedikt in die Mitte des Hofes und zwangen ihn auf die Knie. Dann packten sie seine Arme und drückten
     sie auf den Sockel des Bronzestandbilds der Wölfin, so daß die gefesselten Hände des Delinquenten nebeneinander auf der steinernen
     Oberfläche ruhten.
    Ein Ausdruck des Entsetzens legte sich auf Benedikts Gesicht. »Nein! Hört auf!« schrie er; dann starrte er hinauf zu den Fenstern
     des Patriarchums und begann zu rufen: »Sergius! Sergius! Ser…«
    Das Schwert fuhr hernieder. Benedikt kreischte, als seine abgetrennten Hände zu Boden fielen und Blut verspritzten.
    Die Menge schrie und jubelte. Der Scharfrichter nagelte Benedikts Hände auf ein Brett, das er an der Flanke der Wölfin festband.
     Dort würde es, der uralten Gewohnheit entsprechend, |406| einen Monat hängen bleiben, als Warnung für alle, sich nicht zu der Sünde des Diebstahls verleiten zu lassen.
    Ennodius, der Arzt, trat vor. Er zog die beiden rotglühenden Schürhaken aus dem Kohlenbecken und drückte sie fest auf Benedikts
     blutende Armstümpfe. Der beißende, Übelkeit erregende Geruch von verbranntem Fleisch breitete sich aus. Wieder schrie Benedikt
     markerschütternd; dann sank er bewußtlos zusammen. Ennodius kniete neben ihm nieder, sich um die Wunden zu kümmern.
    Gespannt beugte Arighis sich vor. Die meisten Männer starben nach einer solchen Verletzung – wenn nicht auf der Stelle, vom
     Schock und dem Schmerz, so doch kurz darauf an der Entzündung und dem Blutverlust. Aber einige der Stärksten überlebten. Mitunter
     sah man einen von ihnen durch die Straßen Roms streifen; die gräßlichen Verstümmelungen verrieten die Art des Verbrechens:
     abgetrennte Lippen bei jenen, die unter Eid gelogen hatten; abgehackte Füße bei Sklaven, die versucht hatten, ihrem Herrn
     zu entfliehen; ausgestochene Augen bei jenen, die es nach den Frauen oder Töchtern ihrer Herren gelüstet hatte.
    Die erschreckende Möglichkeit, daß auch Benedikt überleben könnte, hatte Arighis veranlaßt, Ennodius zu bitten, sich um den
     Verurteilten zu kümmern. Auf Johannes Anglicus’ Dienst hatte Arighis wohlweislich verzichtet; der fränkische Arzt besaß so
     große Fähigkeiten, daß er Benedikt vielleicht gerettet hätte.
    Ennodius erhob sich. »Das Urteil Gottes ist vollzogen«, verkündete er ernst. »Benedikt ist tot.«
    Gelobt sei Jesus Christus,
dachte Arighis bei sich.
Das Papsttum ist gerettet.
     
    Johanna stand in der Schlange im
lavatorium
und wartete darauf, daß sie die rituelle Handwaschung vor der Messe vollziehen konnte. Vom Schlafmangel waren ihre Lider schwer
     und die Augen gerötet; die ganze Nacht hatte sie sich im Bett unruhig hin und her gewälzt, während ihre Gedanken bei Gerold
     gewesen waren.

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