Die Päpstin
halb soviel helfen wie eine einzige Division waffenfähiger Männer.
Gerold und seine Leute hatten unmittelbar vor der Stadt Benevento ihr Lager aufgeschlagen. Er hatte den Männern als Lohn für
ihren überwältigenden Sieg vom Vortag erlaubt, am Abend zu feiern und mehrere Fässer Wein zu leeren; nun schliefen sie tief
und fest in ihren Zelten.
In den vergangenen zwei Jahren hatte Gerold die Armeen Prinz Siconulfs befehligt und dafür gekämpft, Siconulfs Thron gegen
den ehrgeizigen Mitbewerber Racheldis zu sichern. Dieser war ein tüchtiger Feldherr, der seine Männer gründlich in Disziplin
und Waffenkampf ausbilden ließ, um ihnen dann in der Schlacht großen eigenen Ermessensspielraum zu lassen. Dennoch hatte Gerold
den gegnerischen Truppen Niederlage um Niederlage beigebracht. Der gestrige Sieg war so überwältigend gewesen, daß er den
Ansprüchen Racheldis’ auf den Thron von Benevento vermutlich ein für allemal ein Ende gemacht hatte.
Wenngleich rings um das Lager bewaffnete Posten aufgestellt waren, schliefen Gerold und seine Männer neben ihren Schwertern
und Schilden, so daß sie stets griffbereit waren. Gerold ging kein Risiko ein; denn selbst nach einer Niederlage konnte ein
Feind noch gefährlich werden. Zu oft schon hatten blinde Wut und Rachsucht Männer zu überstürzten, verzweifelten Taten getrieben.
Gerold kannte viele Fälle, in denen Lager wie dieses durch einen Überraschungsangriff eingenommen worden waren; die Männer
wurden niedergemetzelt, noch bevor sie aus dem Schlaf erwachten.
In diesem Augenblick aber waren Gerolds Gedanken ganz woanders. Er lag auf dem Rücken, die verschränkten Hände hinter dem
Kopf, die Beine lang ausgestreckt. Die Frau neben ihm, die sich mit seinem Umhang zugedeckt hatte, atmete in weinseligem Schlaf
– ein rhythmisches Geräusch, das nur von gelegentlichen Schnarchern unterbrochen wurde.
Im Licht der anbrechenden Morgendämmerung bedauerte Gerold den kurzzeitigen Anflug von Leidenschaft, der ihn veranlaßt hatte,
die Frau in sein Bett zu holen. In den zurückliegenden Jahren hatte es ähnliche flüchtige Erlebnisse mit anderen Frauen gegeben,
doch sie waren von Mal zu Mal unbefriedigender und belangloser geworden. Denn immer noch |419| trug Gerold die Erinnerung an eine Liebe im Herzen, die nicht flüchtig, sondern unvergänglich war, die weder befriedigt, noch
vergessen werden konnte – die Liebe zu einer Frau, bei der Geist und Körper zu perfekter Harmonie vereint waren.
Unwillig schüttelte er den Kopf. Es war sinnlos, in der Vergangenheit zu verweilen. Johanna hatte seine Gefühle nicht erwidert,
sonst hätte sie ihn niemals gehen lassen.
Die Frau drehte sich auf die Seite. Gerold berührte sie an der Schulter, und sie erwachte und schlug die hübschen braunen
Augen auf, die ihn ohne wahre Gefühle und ohne jedes stumme Wort der Zärtlichkeit betrachteten.
»Der Morgen bricht an«, sagte Gerold. Er holte ein paar Münzen aus seinem Ranzen und reichte sie der Frau.
Sie lächelte zufrieden. »Soll ich heute abend wiederkommen?«
»Nein, das wird nicht nötig sein.«
»Bist du nicht zufrieden mit mir?« fragte sie und schaute ihn enttäuscht an.
»Doch, doch, natürlich. Aber meine Männer und ich brechen heute abend das Lager ab.«
Für kurze Zeit beobachtete Gerold, wie die Frau über die Wiese ging; die Sohlen ihrer Sandalen klatschten gedämpft auf dem
trockenen Gras. Der bewölkte Himmel hellte sich auf und wurde zu einem trüben, tristen Grau.
Bald brach ein weiterer Tag an.
Siconulf und seine wichtigsten
fideles
hatten sich bereits in der großen Halle versammelt, als Gerold hereinkam. Siconulf überraschte alle Anwesenden, als er auf
die üblichen Höflichkeiten verzichtete und ohne Umschweife erklärte: »Ich habe soeben Nachricht aus Korsika bekommen. Dreiundsiebzig
sarazenische Schiffe haben vor kurzem von der afrikanischen Küste abgelegt. Sie haben etwa fünftausend Mann und zweihundert
Pferde an Bord.«
Erstauntes Schweigen senkte sich über die Versammlung. Eine so große Flotte konnte man sich ja kaum vorstellen!
Eburis, einer von Siconulfs Gefolgsleuten, stieß einen leisen Pfiff aus. »Was sie auch vorhaben mögen, es ist eine größere
Sache als einer ihrer üblichen Raubzüge an unseren Küsten.«
»Sie haben Kurs auf Rom genommen«, sagte Siconulf.
|420| »Rom? Bestimmt nicht«, erwiderte ein anderer Gefolgsmann.
»Das ist absurd!»rief ein dritter. »Das
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