Die Päpstin
würden sie niemals wagen!«
Gerold hörte den anderen kaum zu. Seine Gedanken rasten.
»Papst Sergius wird unsere Hilfe brauchen«, sagte er schließlich mit angespannter Stimme.
Doch er dachte dabei nicht an Sergius. Die Nachricht von der herannahenden Sarazenen-Flotte hatte allen Schmerz, alle Fehler,
alle Mißverständnisse der letzten zwei Jahre auf einen Streich hinweggefegt. Für Gerold zählte jetzt nur noch eins – Johanna
rechtzeitig zu erreichen und alles in seiner Macht Stehende zu tun, um sie zu schützen.
»Was schlagt Ihr vor, Gerold?« fragte Siconulf.
»Laßt mich unsere Truppen zu Roms Verteidigung führen, mein Prinz.«
Siconulf runzelte die Stirn. »Ich gehe davon aus, daß die heilige Stadt ihre eigenen Verteidiger hat.«
»Nur die
familia Sancta Petri
– eine kleine, undisziplinierte Truppe der päpstlichen Miliz. Diese Männer werden vor den Schwertern der Sarazenen fallen
wie Sommerweizen vor der Sense des Schnitters.«
»Was ist mit der aurelianischen Mauer? Die Sarazenen können sie bestimmt nicht durchbrechen.«
»Die Mauer selbst dürfte stark genug sein«, räumte Gerold ein. »Aber einige der Tore sind nur schwach befestigt. Einem anhaltenden
Angriff könnten sie nicht standhalten. Und das Grab des heiligen Petrus ist vollkommen ungeschützt; denn die Peterskirche
liegt außerhalb der Stadtmauern.«
Siconulf dachte darüber nach. Es widerstrebte ihm, seine Truppen für eine andere Sache als die eigene in die Schlacht zu schicken.
Doch er war ein frommer, christlicher Prinz, der dem Papst, der heiligen Stadt und ihren geheiligten Orten tiefe Ehrerbietung
entgegenbrachte. Der bloße Gedanke, barbarische Ungläubige könnten das Grab des Apostels schänden, war ihm unerträglich. Außerdem
wurde ihm klar, daß es ihm persönliche Vorteile einbringen konnte, wenn er Soldaten zu Roms Verteidigung schickte. Sobald
alles vorüber war, konnte es gut sein, daß der dankbare Sergius ihn mit einem der reichen päpstlichen Kirchengüter belohnte,
die an Siconulfs Hoheitsgebiet grenzten.
|421| »Ich unterstelle Euch drei Divisionen, die Ihr nach Rom führen könnt«, sagte er zu Gerold. »Wie lange braucht Ihr, bis die
Männer abmarschbereit sind?«
»Die Truppen sind kampferprobt und erfahren. Wir könnten noch heute losmarschieren. Falls das Wetter hält, sind wir in zehn
Tagen in Rom.«
»Laßt uns beten, daß es für Rom früh genug ist. Gott sei mit Euch, Gerold.«
In Rom breitete sich eine seltsame Ruhe aus. Seit der ersten Warnung aus Siena zwei Wochen zuvor hatte man kein Wort mehr
über die sarazenische Flotte gehört. Allmählich fiel die Spannung von den Römern ab; ihre erhöhte Wachsamkeit ließ nach, und
sie redeten sich ein, daß die Berichte über die feindliche Flotte doch nicht gestimmt hatten.
Der Morgen des 23. August war strahlend schön und versprach einen herrlichen Sommertag. Die Messe wurde in der Kathedrale
Sancta Maria ad Martyres
gelesen, die aus dem Pantheon entstanden war, dem einstigen heidnischen Tempel. Sie war eine der anmutigsten Kirchen Roms,
und es war ein besonders feierlicher und schöner Gottesdienst; die Sonnenstrahlen fielen durch die runde Öffnung in der gewaltigen
Kuppel der Kirche und zauberten einen goldenen Schimmer auf die Versammlung der Gläubigen. Als die Prozession nach der Messe
zurück zum Patriarchum zog, sang der Chor voller Freude
Gloria in Excelsis Deo.
Die Worte blieben den Sängern auf den Lippen kleben, als sie auf den sonnenüberfluteten Innenhof des Laterans gelangten und
die Menschenmenge sahen, die sich ängstlich um einen erschöpften, schlammbespritzten berittenen Boten drängte.
»Die Flotte der Ungläubigen hat angelegt«, verkündete der Bote voller hilfloser Wut. »Die Stadt Portio ist gefallen; die Bewohner
wurden niedergemetzelt, die Kirchen geschändet.«
»Gott steh uns bei!« rief jemand.
»Was soll aus uns werden?« jammerte ein anderer.
»Sie werden uns alle töten!« schrie ein dritter hysterisch. Für einen Augenblick bestand die Gefahr, daß die Menge in eine
gefährliche Panik ausbrach.
»Ruhe!« Sergius’ befehlende Stimme übertönte wie Donnergrollen den Tumult. »Was für ein unwürdiges Schauspiel ihr bietet!«
|422| Die Menge verstummte; bleiche Gesichter wandten sich dem Papst zu.
»Seid ihr Schafe, daß ihr so blökt? Seid ihr wehrlose kleine Kinder, daß ihr so jammert? Nein! Ihr seid Römer! Und dies ist
Rom, die heilige Stadt,
Weitere Kostenlose Bücher