Die Päpstin
Privatkapelle beim Gebet. Wieder von tiefem christlichem Glauben beseelt, stürzte er sich
mit der gleichen Begeisterung in seine Arbeit, |416| mit der er einst die Freuden der Tafel genossen hatte. Im Guten wie im Schlechten war Sergius kein Mann, der halbe Sachen
machte.
Zwei aufeinanderfolgende Jahre mit milden Wintern und reichen Ernten hatten eine Zeit des allgemeinen Wohlstands zur Folge.
Selbst die Heerscharen der Armen, die die Straßen der Stadt bevölkerten, sahen nicht mehr ganz so erbarmungswürdig aus: Das
Geld saß lockerer in den Taschen der wohlhabenden Mitmenschen, und die Almosen strömten reichlicher. Vor den Altären ihrer
Kirchen sprachen die Römer Dankgebete, daß sich das Schicksal ihrer Stadt und ihres Heiligen Vaters zum Guten gewendet hatte.
Die Menschen ahnten nichts von der Katastrophe, die über sie hereinbrechen würde. Wie sollten sie auch?
Bei einem der regelmäßigen Treffen Sergius’ mit den römischen Prinzen war Johanna zugegen, als plötzlich ein Bote unangekündigt
in den Versammlungssaal stürmte.
»Was soll das?« erkundigte Sergius sich streng.
»Heiligkeit«, der Bote ließ sich in respektvoller Huldigung auf die Knie fallen. »Ich bringe aus Siena eine Nachricht von
größter Wichtigkeit. In Afrika hat eine riesige Flotte sarazenischer Schiffe Segel gesetzt, und sie haben direkten Kurs auf
Rom genommen.«
»Auf Rom?« fragte einer der Prinzen ungläubig. »Das kann nicht sein. Die Meldung ist gewiß ein Irrtum.«
»Es ist kein Irrtum«, entgegnete der Bote. »Die Sarazenen werden binnen zweier Wochen hier sein.«
Für einen Moment herrschte Schweigen, als die Versammelten diese erschreckende Nachricht in sich aufnahmen.
Schließlich meldete sich ein anderer Prinz zu Wort. »In diesem Fall wäre es gewiß anzuraten, die heiligen Relikte an einen
sicheren Ort zu bringen«, sagte er und bezog sich damit auf die Überreste des Apostels Petrus, die heiligsten Relikte der
Christenheit, die im Petersdom lagen, der sich jedoch vor den schützenden Stadtmauern befand.
Romuald, der ranghöchste der anwesenden Prinzen, warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Ihr glaubt doch nicht im Ernst,
diese Ungläubigen würden den Petersdom angreifen?«
»Was sollte sie davon abhalten?« fragte Johanna.
|417| »Sie mögen Barbaren sein, aber sie sind keine Dummköpfe«, erwiderte Romuald. »Sie wissen, daß die Hand Gottes sie in dem Augenblick
zerschmettern würde, da sie versuchen, in das Heilige Grabmal einzudringen!«
»Sie haben ihren eigenen Glauben«, erklärte Johanna, »und fürchten die Hand des christlichen Gottes nicht.«
Romualds Lächeln erstarb. »Was soll diese heidnische Blasphemie?«
Johanna ließ sich nicht beirren. »Die Peterskirche bietet sich als Ziel für Plünderungen an, und sei es nur der Schätze wegen,
die sich darin befinden. Aus Gründen der Sicherheit sollten wir diese Gegenstände sowie den Sarkophag des heiligen Petrus
ins Innere der Stadtmauern bringen.«
Sergius blickte sie zweifelnd an. »Wir haben schon des öfteren solche Warnungen erhalten, und keine hat sich als begründet
erwiesen.«
»In der Tat«, sagte Romuald spöttisch. »Würden wir die Reliquien beim Anblick eines jeden sarazenischen Schiffes in die Stadt
bringen lassen, um sie wieder zum Petersdom zurückzuschaffen, sobald das Schiff fort ist, hätten wir nichts anderes mehr zu
tun, als die heiligen Gebeine hin und her zu transportieren.«
Beifälliges Lachen erhob sich, wurde jedoch abrupt unterbrochen, als der Papst mit strenger Miene in die Runde blickte.
»Gott schützt die Seinen«, sagte Sergius. »Der heilige Apostel bleibt, wo er ist.«
»Dann laßt uns wenigstens Boten in die umliegenden Städte und Dörfer schicken, um Männer zur Verteidigung Roms zusammenzurufen«,
drängte Johanna.
»Die Leute sind zur Zeit damit beschäftigt, die Reben zu beschneiden«, sagte Sergius. »Jeder gesunde Mann wird in den Weinbergen
gebraucht. Da keine unmittelbare Gefahr besteht, sehe ich keinen Grund, die Ernte zu gefährden, von der unser aller Wohlstand
abhängt.«
»Aber, Heiligkeit …«
Sergius schnitt ihr das Wort ab. »Vertraue auf Gott, Johannes Anglicus. Es gibt keine stärkere Rüstung als das Gebet und den
christlichen Glauben.«
In respektvoller Unterwerfung senkte Johanna den Kopf. Doch in ihrem Innern dachte sie aufsässig:
Wenn die Sarazenen erst vor den Toren Roms stehen, werden alle Gebete der Welt
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nicht
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