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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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verwüsteten Petersdom neben seinen Vorgängern beigesetzt. Die Trauerfeierlichkeiten waren so jämmerlich,
     daß es an einen Skandal grenzte, und die erforderlichen Trauertage wurden nur widerwillig eingehalten; denn die Römer hatten
     sich bereits voller Ungeduld der Zukunft zugewandt – und der Wahl eines neuen Papstes.
     
    Anastasius trat aus den stürmischen Januarwinden in die wohltuende Wärme des alten und vornehmen Palasts seiner Familie. Es
     war die prunkvollste Residenz in ganz Rom – vom Lateran natürlich abgesehen –, und Anastasius war zu Recht stolz darauf. Die
     gewölbte Decke der Empfangshalle ragte zwei Stockwerke in die Höhe, und sie war aus rein weißem Ravenna-Marmor errichtet.
     Die Wände waren mit farbenprächtigen Fresken verziert; die Gemälde zeigten Szenen aus dem Leben der berühmtesten Vorfahren
     Anastasius’. Auf einem Bild war ein römischer Konsul zu sehen, der eine Rede vor dem Senat hielt; ein anderes Gemälde zeigte
     einen Feldherrn, der auf einem schwarzen Streitroß saß und den Blick über seine Truppen schweifen ließ; wieder ein anderes
     Bild zeigte einen Kardinal, der aus der Hand Papst Hadrians sein Pallium – das Schulterband – entgegennahm. An der vorderen
     Wand der Eingangshalle war eine Nische für ein weiteres Bild frei gelassen worden – für den von der Familie seit langer Zeit
     herbeigesehnten Tag, da einer ihrer Söhne die höchste aller Würden erringen würde: die Krönung zum Papst.
    Normalerweise herrschte in der Halle reges Leben und Treiben. Heute war sie leer, vom Haushofmeister der Familie abgesehen.
     Anastasius nickte knapp, um die unterwürfige Begrüßung durch den Mann zu erwidern – an Untergebene verschwendete er niemals
     Zeit –, und begab sich geradewegs zum Zimmer seines Vaters. Üblicherweise wäre Arsenius um diese Zeit in der großen Halle
     gewesen und hätte mit den Honoratioren der Stadt über die gleichermaßen komplizierte wie |431| lohnenswerte Machtpolitik verhandelt. Doch letzten Monat war Arsenius an einem hartnäckigen Fieber erkrankt, das seine gewaltigen
     Energien aufgezehrt und ihn dazu gezwungen hatte, auf seinem Zimmer zu bleiben.
    »Mein Sohn.« Arsenius erhob sich von der Liege, als Anastasius ins Zimmer kam. Die Krankheit hatte ihren Tribut gefordert;
     Arsenius wirkte grau und zerbrechlich. Anastasius dagegen verspürte eine seltsame erregende Woge der Kraft in sich aufsteigen;
     seine Jugend und Energie wirkten in dem Maße stärker, als beides bei seinem Vater schwand.
    »Vater.« Mit ausgebreiteten Händen ging Anastasius zu ihm, und sie umarmten sich voller Wärme.
    »Was gibt es Neues?« fragte Arsenius. »Die Wahl ist für morgen angesetzt.«
    »Gott sei gepriesen!« rief Arsenius, doch es war ein bloßer Ausdruck der Freude. Wenngleich er den erhabenen Titel des Bischofs
     von Orte trug, hatte Arsenius niemals die Priesterweihen empfangen; er war nicht einmal ein religiöser Mensch. Seine Ernennung
     zum Bischof war die politische Anerkennung der gewaltigen Macht gewesen, die Arsenius in der Stadt ausübte. »Der Tag, an dem
     einer meiner Söhne auf dem Thron des heiligen Petrus sitzt, kann gar nicht schnell genug kommen.«
    »Daß es überhaupt so kommt, ist nicht mehr so sicher, wie wir einmal geglaubt haben, Vater.«
    »Was meinst du damit?« fragte Arsenius scharf.
    »Vielleicht genügt es nicht, daß Lothar meine Kandidatur unterstützt. Nun wird ihm nämlich angekreidet, daß er es damals versäumt
     hat, Rom gegen die Sarazenen zu verteidigen. Die Leute fragen sich, weshalb sie einem Kaiser huldigen sollen, der sie nicht
     beschützt hat. Es mehren sich die Stimmen, daß Rom seine Unabhängigkeit vom fränkischen Thron sichern sollte.«
    Arsenius dachte längere Zeit über diese Worte nach. Dann sagte er: »Du mußt Lothar denunzieren.«
    Anastasius war entsetzt. Der stets so messerscharfe analytische Verstand seines Vaters ließ offenbar nach.
    »Würde ich Lothar anschwärzen«, erwiderte er, »so würde ich die Unterstützung der kaiserlichen Partei verlieren, auf die sich
     all unsere Hoffnungen gründen!«
    »Nein. Denn du wirst zu ihnen gehen und erklären, daß du |432| lediglich aus politischer Notwendigkeit handelst. Versichere ihnen, daß es keine Rolle spielt, was du vielleicht zu sagen
gezwungen
bist. Erkläre Lothar und seinen Leuten, du wärst dem Kaiser treu ergeben und du würdest diese Treue nach der Wahl durch kostbare
     Geschenke und Vergünstigungen

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