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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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für alle Zeiten verändert hatte.
    Die fünfzig Jahre, die seither vergangen waren, hatten dem prunkvollen Glanz der Großen Halle indes nichts anhaben können.
     Wände und Böden ihrer drei riesigen Altarnischen waren mit makellosen, rein weißen Marmorplatten verkleidet und mit kunstvoll
     behauenen Säulen aus Porphyr verziert, in die Reliefs von wundervoller, filigraner Feinheit und Kunstfertigkeit gemeißelt
     waren. Über den marmornen Verkleidungen waren die Wände mit farbenprächtigen Gemälden bedeckt, die Szenen aus dem Leben des
     Apostels Petrus zeigten und von denen jedes einzelne mit unglaublicher Meisterschaft ausgeführt war.
    Doch selbst diese Wunder wurden von dem großen Mosaik in den Schatten gestellt, das sich über dem Bogen der mittleren Apsis
     befand. Auf diesem Mosaik war der heilige Petrus bei seiner prunkvollen Inthronisierung zu sehen; sein Kopf war von einem
     runden Heiligenschein umgeben. Zu seiner Rechten kniete Papst Leo, zu seiner Linken Kaiser Karl der Große; die Köpfe der beiden
     Männer waren von rechteckigen Heiligenscheinen umrahmt, dem Zeichen der Lebenden – denn sie hatten noch gelebt, als das
triclinium
errichtet worden war.
    |533| Im vorderen Teil der Großen Halle ließen Johanna und Lothar sich in zwei prunkvollen, über und über mit Juwelen besetzten
     Stühlen nieder; sie setzten sich
sedentes pariter
: Beide nahmen mit dem gleichen Zeremoniell Platz, wobei sorgsam darauf geachtet wurde, daß Papst und König Seite an Seite
     saßen, damit nicht der Anschein erweckt wurde, daß der eine im Rang höher stand als der andere. Die Erzbischöfe, Kardinäle
     und Äbte von Rom saßen dem Papst und dem Kaiser in hochlehnigen Stühlen im byzantinischen Stil gegenüber, die mit weichem
     grünem Samt bezogen waren. Die anderen
sacerdotes,
die
optimates
sowie die übrigen führenden Männer des fränkischen und römischen Volkes standen in den hinteren Reihen und füllten das
triclinium
bis auf den letzten Platz.
    Als alle versammelt waren, wurde Gerold von Lothars Männern in die Große Halle geführt. Noch immer waren ihm die Hände vor
     dem Leib gefesselt. Johanna preßte die Lippen zusammen, als sie die Schürfwunden und die blauen Flecke in seinem Gesicht und
     am Hals sah; offensichtlich hatte man ihn geschlagen.
    »Tretet vor,
magister militum«,
wandte Lothar sich an Daniel, »und bringt Eure Anklagen vor, auf daß alle Anwesenden sie hören können.«
    Mit lauter Stimme sagte Daniel: »Ich habe zufällig mit angehört, wie der
superista
zu Papst Johannes sagte, daß Rom sich mit den Griechen verbünden solle, um die Stadt von dem übermächtigen fränkischen Einfluß
     zu befreien.«
    »Lügner!« rief Gerold und wurde auf der Stelle von einem der Wächter mit einem wuchtigen Faustschlag belohnt.
    »Laß von ihm ab!« fuhr Johanna den Wächter mit scharfer Stimme an. Dann fragte sie Gerold: »Ihr weist die Anklage zurück,
superista?«
    »Ja. Denn sie gründet sich auf schändliche Lügen und Entstellungen.«
    Johanna holte tief Atem, denn nun mußte sie den Sprung ins kalte Wasser wagen – jetzt oder nie. Mit lauter Stimme, so daß
     alle sie hören konnten, erklärte sie: »Hiermit bestätige ich die Aussage des
superista.«
    Erschrecktes Gemurmel erhob sich unter den versammelten Prälaten, denn durch dieses Bekenntnis hatte der Papst sich selbst
     vom Kläger zum Beklagten gemacht, so daß er jetzt praktisch zusammen mit Gerold vor Gericht stand.
    |534| Paschal, der
primicerius,
warf mit nüchterner Stimme ein: »Es ist nicht an Euch, Heiligkeit, die Anschuldigungen zu erhärten oder zurückzuweisen. Denkt
     an die Worte des großen Kaiser Karolus:
Iudicare non audemus.
Ihr seid hier nicht angeklagt, und ohnedies könnte kein Gericht auf Erden ein Urteil gegen Euch verhängen.«
    »Ich weiß, Paschal. Aber ich bin bereit, aus freiem Willen auf die Anklagen zu antworten, um den Geist eines jeden Menschen
     von ungerechtfertigten Verdächtigungen zu befreien.« Sie nickte Florentinus zu, dem
vestiarius,
der auf ein vorher abgesprochenes Zeichen herbeieilte und Johanna die vier Bücher des heiligen Evangeliums reichte. Sie nahm
     die Folianten entgegen und drückte sie ehrfürchtig an sich. Dann rief sie mit schallender Stimme: »Auf diese heiligen Bücher,
     in denen das Wort des Allmächtigen sich offenbart, schwöre ich vor Gott und dem heiligen Petrus, daß ein solches Gespräch
     zwischen mir und dem
superista
niemals stattgefunden hat. Sollte ich nicht

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