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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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möchte es nicht.« Johanna winkte ab. Von einem Feind nahm sie keine Gefälligkeiten entgegen.
    »Aber die Herrin hat mir befohlen, bei Euch zu bleiben, |203| während Ihr den Wein trinkt, und dann den Becher in die Küche zu bringen.« Ermentrude war ängstlich darauf bedacht, alles
     richtig zu machen; denn sie war erst zwölf und neu in der gräflichen Dienerschaft.
    »Dann trink den Wein selbst«, sagte Johanna gereizt. »Oder gieße ihn auf den Fußboden. Richild wird nie davon erfahren.«
    Ermentrudes Miene hellte sich auf. Dieser Gedanke war ihr gar nicht gekommen. »Ja, Fräulein. Danke, Fräulein.« Sie wandte
     sich zum Gehen.
    »Warte noch«, rief Johanna ihr nach, denn sie hatte es sich doch anders überlegt. Der Becher war randvoll, und der Wein süß
     und schwer; er schimmerte im gedämpften Licht des Zimmers. Falls Johanna die nächsten zwei Wochen im Wald überleben wollte,
     mußte sie jede Nahrung zu sich nehmen, die sie bekommen konnte, ob fest oder flüssig. Sie konnte sich keine närrischen Gesten
     des Stolzes leisten. Johanna nahm den Becher und trank den warmen Wein in hastigen Zügen. Um ihre Lippen herum bildete sich
     ein roter Rand, und der Wein hinterließ einen seltsam säuerlichen Geschmack auf der Zunge. Sie wischte sich den Mund mit dem
     Ärmel ab; dann reichte sie Ermentrude den Becher, und das Mädchen verließ eilig das Zimmer.
    Johanna blies die Kerze aus, legte sich im Dunkeln aufs Bett und wartete. Die große Federmatratze war wunderbar weich – ein
     Gefühl, das Johanna nicht kannte; denn sie war an den dünnen Belag aus Stroh auf ihrem Bett oben in der Schlafkammer gewöhnt.
     Sie wünschte sich, Richild hätte sie in ihrem eigenen Bett schlafen lassen, neben Dhuoda. Sie hatte Dhuoda nicht mehr gesehen,
     seit das Mädchen die Nachricht zur Domschule gebracht hatte; den ganzen Nachmittag hatte sie in Richilds Gemächern verbracht,
     von der Außenwelt abgeschnitten, umsorgt und umhegt von den Dienerinnen, die sich um ihr Hochzeitskleid kümmerten und die
     Kleidung sowie jene persönlichen Gegenstände auswählten, die Johanna als Mitgift in die Ehe bringen sollte.
    Hatte Dhuoda Johannes die Mitteilung überbracht? Johanna konnte nicht sicher sein; sie mußte sich darauf verlassen. Sie würde
     auf der Waldlichtung auf Johannes warten, und falls er nicht kam, würden sie und Lukas sich allein auf den Weg machen.
    Im angrenzenden Zimmer hörte Johanna das langsame, |204| tiefe Atmen Richilds. Sie wartete noch eine Viertelstunde, um auch ganz sicher sein zu können, daß Richild schlief; dann schlüpfte
     sie leise unter den Decken hervor.
    Sie trat durch die Tür in Richilds Kammer. Richild lag regungslos da; ihr Atem ging tief und gleichmäßig. Johanna glitt die
     Wand entlang und zur Tür hinaus.
    Kaum hatte sie das Zimmer verlassen, schlug Richild die Augen auf.
     
    Johanna bewegte sich geräuschlos durch die Hallen und über die Säulengänge, bis sie an die frische Luft auf dem Haupthof gelangte.
     Ihr war ein bißchen schwindlig, und sie holte tief Atem.
    Alles war ruhig. Ein einzelner Wachtposten saß neben dem Tor, mit dem Rücken zur Mauer, den Kopf auf der Brust, schnarchend.
     Johannas Schatten – erschreckend groß und verzerrt – fiel über den vom Mondlicht erhellten Hof. Sie bewegte die Hand, und
     eine furchteinflößende, riesige Schattenhand vollzog die Bewegung gleichzeitig mit.
    Leise pfiff Johanna nach Lukas. Der Wachtposten schnarchte laut auf und bewegte sich im Schlaf. Lukas kam nicht. Johanna setzte
     sich in Bewegung. Sie hielt sich stets im Schatten, als sie zu dem Winkel des Hofes ging, an dem Lukas für gewöhnlich schlief.
     Noch einmal zu pfeifen wagte Johanna nicht. Das Risiko, den Wachtposten zu wecken, war zu groß.
    Plötzlich schien sich der Boden unter ihren Füßen zu bewegen. Schwindelgefühl und Übelkeit stiegen in ihr auf, und sie mußte
     sich an einem Pfosten festhalten.
Bei allen Heiligen, mir darf jetzt nicht schlecht werden!
    Johanna wehrte sich gegen den Übelkeitsanfall, als sie den Hof überquerte. Auf der gegenüberliegenden Seite entdeckte sie
     Lukas. Der junge Wolf lag auf der Seite; seine opaleszierenden Augen starrten blicklos in die Dunkelheit, und die Zunge hing
     ihm schlaff aus dem Maul. Johanna beugte sich nieder, um das Tier zu berühren – und spürte die Kälte des Körpers unter dem
     weichen weißen Fell. Scharf und keuchend holte sie Luft und richtete sich auf. Ihr Blick fiel auf ein halbgegessenes

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