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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Stück
     Fleisch, das in der Nähe am Boden lag. Benommen starrte Johanna darauf. Eine Fliege ließ sich auf dem blutigen Fleischstück
     nieder, kroch darüber hinweg, saugte das Blut auf, flog wieder in die Höhe und kreiste für kurze |205| Zeit in unregelmäßigen Bahnen durch die Luft. Plötzlich fiel sie zu Boden. Ihre Beine zuckten; dann rührte sie sich nicht
     mehr.
    Mit einemmal war ein lautes Summen in Johannas Ohren. Die Luft um sie herum schien auf und ab zu wogen. Taumelnd wich Johanna
     zurück, machte kehrt und wollte losrennen, doch wieder hob sich der Erdboden, verschob sich, bewegte sich – und kam dann plötzlich
     auf sie zu.
    Die kräftigen Arme, die sie packten, in die Höhe hoben und zurück ins Haus trugen, spürte Johanna schon nicht mehr.
     
    Das rhythmische Quietschen der Wagenräder war eine melancholische Begleitmusik zum Pochen der Pferdehufe, als der Wagen rumpelnd
     über die Straße zum Dom rollte und Johanna zur Hochzeitsmesse brachte.
    Man hatte sie an diesem Morgen wachrütteln müssen; lange Zeit war sie zu benommen gewesen, als daß ihr bewußt gewesen wäre,
     was eigentlich geschah. Wie betäubt hatte sie dagestanden, als die Dienerinnen um sie herumscharwenzelten, ihr das Hochzeitskleid
     anzogen und ihr Haar richteten.
    Nun aber ließ die Wirkung der Droge allmählich nach, und Johanna erinnerte sich.
Es war der Wein,
ging es ihr durch den Kopf.
Richild hat irgend etwas in den Wein getan.
Johanna dachte an Lukas, wie er kalt und tot auf dem nächtlichen Hof gelegen hatte, und Tränen stiegen ihr in die Augen. Er
     war vollkommen sinnlos gestorben, ohne Trost, ohne Beistand, einsam und allein. Johanna konnte nur hoffen, daß er nicht lange
     gelitten hatte. Es mußte Richild eine verderbte Freude bereitet haben, das Fleisch zu vergiften; sie hatte den jungen Wolf
     schon immer gehaßt, weil er die enge Bindung repräsentiert hatte, die zwischen Johanna und Gerold bestand.
    Auch Richild saß in einem Wagen und fuhr dicht vor Johanna. Sie war in eine prächtige Tunika aus schimmernder blauer Seide
     gekleidet; ihr schwarzes Haar war so gekämmt, daß es sich elegant um ihren Kopf wand, und es wurde von einem silbernen, mit
     Smaragden besetzten Diadem gehalten. Richild war wunderschön.
    Warum,
fragte Johanna sich benommen,
hat sie mich nicht auch getötet?
    Als sie in dem Wagen saß, der sie dem Dom immer näher brachte, krank am Körper und am Herzen, fern von Gerold |206| und ohne Hoffnung auf ein Entkommen, wünschte Johanna sich, Richild hätte es getan.
     
    Die Wagenräder ratterten geräuschvoll über die unebenen Pflastersteine auf dem Domvorplatz; dann wurden die Pferde mit den
     Zügeln zum Stehen gebracht. Sofort erschienen zwei von Richilds Gefolgsleuten neben dem Wagen. Mit kunstvoller Unterwürfigkeit
     halfen sie Johanna hinunter.
    Vor dem Dom hatte sich eine riesige Menschenmenge versammelt. Es war das Fest der ersten Märtyrer der Stadt Rom, ein hoher
     kirchlicher Feiertag; außerdem fand Johannas Hochzeitsgottesdienst statt, und die ganze Stadt hatte sich zu diesen beiden
     Anlässen versammelt.
    Vorn in der Menge erblickte Johanna einen hochgewachsenen, rotgesichtigen, starkknochigen Jungen, der verlegen neben seinen
     Eltern stand. Der Sohn des Hufschmieds. Johanna erkannte seinen mißmutigen Gesichtsausdruck und sah, daß der Junge niedergeschlagen
     den Kopf gesenkt hielt.
Er möchte mich nicht zur Frau. Genauso wenig wie ich ihn zum Ehemann möchte. Weshalb sollten wir dann heiraten?
    Der Vater stieß den Jungen an; er ging auf Johanna zu und hielt ihr die Hand hin, und Johanna ergriff sie. Dann standen die
     beiden Seite an Seite, während Wido, Gerolds und Richilds Haushofmeister, die Liste der Gegenstände verlas, die Johanna als
     Mitgift in die Ehe brachte.
    Johanna schaute zum Wald hinüber. Jetzt war es ihr unmöglich, loszurennen und sich in den Wäldern zu verstecken. Die Menge
     umringte sie, und Richilds Gefolgsleute standen dicht neben ihr und behielten sie wachsam im Auge.
    Johanna entdeckte Odo in der Menge. Um ihn herum hatten sich die Jungen von der Domschule versammelt; wie üblich, flüsterten
     sie auch diesmal miteinander. Doch Johannes war nicht bei ihnen. Johanna ließ den Blick über die Zuschauer schweifen und sah
     ihren Bruder abseits an einer Seite der Menge stehen, unbeachtet von seinen Freunden. Sie beide waren jetzt allein; sie hatten
     nur noch einander. Johannas Blick suchte den ihres Bruders, suchte Trost in seinen

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