Die Palm-Beach-Verschwoerung
mit Karacho auf einen Anfall zu. Alles in meiner Brust war so angespannt, dass ich kaum atmen konnte. Mit zitternden Lippen und tränennassem Gesicht stand ich im Halbschatten. Sie hatten doch noch gelebt. Dee hatte mir gesagt, ich solle zurückkommen. Mickey und Barney und Bobby und Dee. Wie konnten sie jetzt tot sein? Ich kam mir vor wie in einem schrecklichen Traum, aus dem ich gerade aufgewacht war, und dachte: alles nur ein Traum.
Aber das hier war echt. Ich blickte auf das gelbe Haus, auf die Polizei und die Sanitäter. Sag mir, dass das nicht wahr ist!
Als ich weiter nach vorne drängte, wurde die Haustür geöffnet. Mediziner tauchten auf, die Menge begann zu murmeln, Rolltragen wurden herausgeschoben.
Eine der Abdeckungen war offen. »Ein Weißer«, sagte jemand.
Ich sah rote Locken. Mickey.
Als ich mit ansehen musste, wie er zum Leichenwagen geschoben wurde, kamen mir zwanzig Jahre alte Szenen in den Sinn. Mickey boxte mir in der Schule immer in den Rücken. Seine skurrile Art, Hallo zu sagen. Nie war ich darauf gefasst.
Ich ging in der Pause den Gang entlang - und wumm! Und er boxte wie eine Drecksau! Dann ließ er mich jedes Mal einen viertel Dollar bezahlen, damit er mich nicht boxte. Mit aufgerissenen Augen hob er nur seine Faust. »Angst?« Eines Tages hielt ich es nicht mehr aus. Es war mir egal, was passierte. Ich nahm Anlauf und stieß ihn nach hinten gegen einen Heizkörper. Ich glaube, die Striemen an seinem Rücken blieben während seiner ganzen Highschool-Zeit. Er stand auf, schnappte sich seine Bücher und streckte mir seine Hand hin. Darin lagen etwa vier Dollar. In Vierteldollarmünzen. Alles, was ich ihm gegeben hatte. Er grinste mich nur an. »Darauf habe ich doch bloß gewartet, Neddie-Boy.«
Das war’s, was mir durch den Kopf ging. Diese ganze verrückte Szene in einem Augenblick. Dann wurden weitere Rolltragen herausgeschoben. Ich zählte vier. Meine besten Freunde auf der Welt.
Ich verschmolz wieder mit der Menge. Kam mir vor wie in der Falle, fühlte mich eingesperrt. Mein Brustkorb verkrampfte sich. Ich kämpfte gegen die anderen an, die nach vorne drängten, um besser sehen zu können.
Und mir schoss der Gedanke durch den Kopf: Wozu taugt ein Rettungsschwimmer, der kein Leben retten kann?
17
Was anschließend passierte, weiß ich nicht mehr so genau. Ich erinnere mich nur noch, dass ich schnell zu meinem Wagen gestolpert und noch schneller losgefahren war.
Ich ging meine Möglichkeiten durch. Was konnte ich tun? Mich der Polizei stellen? Komm schon, Ned, du hast bei einem Raubüberfall mitgemacht. Deine Freunde sind tot. Jemand wird dich mit Tess in Verbindung bringen.
Man wird dir einen Mord anhängen! Ich konnte nicht geradeaus denken, aber eine Sache war glasklar: Mein Leben hier war zu Ende.
Ich stellte das Radio auf einen der lokalen Nachrichtenkanäle ein. Reporter waren bereits an den Orten, an denen sich die Morde ereignet hatten. Eine junge, hübsche Frau in Palm Beachs schickem Brazilian Court. Vier nicht identifizierte Personen in Lake Worth, die wie bei einer Hinrichtung ermordet wurden … und weitere Nachrichten. Ein dreister Kunstraub in Strandnähe. Kunstwerke im Wert von sechzig Millionen Dollar, wie berichtet wurde. Dann hatte es doch einen Raub gegeben. Aber es wurde nicht erwähnt, ob die Polizei eine Verbindung herstellte. Und, Gott sei Dank, nichts über mich!
Es war schon elf Uhr durch, als ich endlich über die Flagler Bridge nach Palm Beach hineinfuhr. Zwei Polizeiwagen standen mit Blaulicht mitten auf der Poinciana Plaza und blockierten die Straße. Mir war klar, dass sie nach einem Bonneville suchten.
»Das Spiel ist aus, Ned!«, sagte ich fast resigniert zu mir selbst. Aber ich huschte problemlos an den Streifenwagen vorbei.
Hier war es relativ ruhig, wenn man bedachte, was alles passiert war. Im Palm Beach Grill herrschte noch Hochbetrieb. Genau wie im Cucina. Musik drang heraus. Aber die Straßen waren still. Mir fiel ein Witz ein: Im Zentrum von Bagdad brennen nach einem Luftangriff mehr Lichter als in Palm Beach nach zehn Uhr abends. Von der County Road fuhr ich nach rechts auf die Seaspray Avenue, dann nach links zum Strand. Vorsichtig bog ich in die Einfahrt der Nummer 150, nachdem ich das Tor per Fernsteuerung geöffnet hatte. Ich betete, dass keine Polizei da war. Bitte, lieber Gott, nicht jetzt. In Sollies Haus war alles dunkel, der Hof leer. Meine Gebete waren erhört worden. Wenigstens im Moment.
Sollie sah entweder fern, oder
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