Die Palm-Beach-Verschwoerung
Frage noch: Traust du der Kripo von Palm Beach, dass sie sich um das hier kümmert? Diesem Lawson? Wie sieht’s mit deinem eigenen Verein aus? Moretti?«
»Es gibt vielleicht jemanden, dem ich vertrauen kann«, antwortete sie. »Ein Detective aus Palm Beach. Ich glaube nicht, dass er unter Lawsons Fuchtel steht. Oder Strattons.«
»Ich habe noch einen Trumpf in der Hand«, sagte ich. Sie blickte mich mit aufgerissenen Augen an. »Mein Vater …«
»Dein Vater? Du hast ihn noch nicht der Polizei ausgeliefert?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nö. Du?«
Ellie blickte mich ausdruckslos an, ohne zu antworten, aber von ihrem Gesicht konnte ich ablesen, dass sie es nicht getan hatte. »Ich glaube, wir haben was übersehen«, gab sie zu bedenken. »Was Liz im Wagen gesagt hat. Dass nur ein Gemälde gestohlen wurde. Und: »Sie sind die Kunstexpertin. Warum, glauben Sie, nennt er sich selbst Gachet?«
»Was hat es mit diesem Gachet auf sich? Was ist so Besonderes daran?«
»Es ist eins der letzten Bilder von van Gogh. Vom Juni 1890, nur einen Monat vor seinem Selbstmord. Gachet war ein Arzt, der sich in Auvers um ihn gekümmert hatte. Du hast das Bild gesehen. Er sitzt an einem Tisch, Mütze auf, den Kopf in die Hand gestützt. Der Fokus dieses Bildes liegt in diesen traurigen, blauen Augen …«
»Ich erinnere mich«, unterbrach ich sie. »Dave hat mir das Bild in einem Buch zeigen wollen.«
»Seine Augen sind so weltabgewandt und gequält«, fuhr Ellie fort. »Voller Schmerz und Erkenntnis. Die Augen des Malers. Das Bild wurde immer als ein Hinweis auf van Goghs Selbstmord gedeutet. 1990 wurde es von einem Japaner auf einer Auktion ersteigert. Für über achtzig Millionen Dollar. Es war der höchste Preis, der bis dahin jemals für ein Kunstwerk bezahlt worden war.«
»Ich kapiere das immer noch nicht. Stratton hatte keine van Goghs.«
»Nein«, bestätigte Ellie, »hatte er nicht.« Dann flackerten ihre Augen auf. »Es sei denn …«
»Es sei denn was, Ellie?« Ich setzte mich auf und wandte ihr mein Gesicht zu.
Sie kaute auf der Lippe. »Nur ein Bild wurde gestohlen.«
»Möchtest du mir vielleicht verraten, was du denkst, Ellie?«
Sie lächelte mich an. »Er hat noch nicht gewonnen, Ned. Noch nicht ganz. Er hat sein Gemälde noch nicht.« Mit leuchtenden Augen warf sie das Laken zur Seite. »Wie Sollie gesagt hat, Ned: Wir haben viel zu tun.«
84
Zwei Tage später erhielt ich die Erlaubnis, nach Boston zu fliegen. Nicht aus dem Grund, auf den ich gehofft hatte. Daves Leiche war endlich von der Polizei freigegeben worden. Wir beerdigten ihn auf dem Friedhof unserer Kirchengemeinde St. Ann in Brockton.
Ein Beamter musste mich auf der Reise begleiten. Ein junger Mann namens Hector Rodriguez, der gerade seine Ausbildung hinter sich gebracht hatte. Die Beerdigung fand in einem anderen Bundesstaat statt, was durch meine Kautionshinterlegung nicht abgedeckt war. Bei mir bestand natürlich Fluchtgefahr. Weil ich schon mal geflohen war. Hector war die ganze Zeit über an mich gefesselt.
Wir beerdigten Dave gleich neben meinem Bruder John Michael. Alle waren hier, und alle Wangen waren von Tränen nass. Ich hielt meine Mutter im Arm. Das ist es doch, was man über Iren sagt, oder? Wir wissen, wie man Menschen beerdigt. Wir wissen, wie man sich stützt. Wir hatten uns im Busch von Brockton schon früh an diese Art von Verlust gewöhnt.
Der Priester fragte, ob jemand ein paar letzte Worte sprechen wollte. Zu meiner Überraschung trat mein Vater vor. Er bat, einen Moment allein sein zu dürfen.
Er trat an den glänzenden Kirschholzsarg und legte eine Hand auf den Deckel. Dort murmelte er etwas leise vor sich hin. Was konnte er wohl sagen? Ich wollte nie, dass das mit dir passiert, mein Sohn? Ned hätte dich da nicht mit reinziehen sollen?
Ich blickte zum Priester hin. Er nickte. Ich trat ebenfalls vor und stellte mich neben meinen Vater. Es begann wieder zu regnen, kalter Wind strich über mein Gesicht. Schweigend standen wir eine Weile nebeneinander. Frank fuhr mit der Hand
über den Sarg, ohne mich auch nur einmal anzuschauen. Er schluckte schwer.
»Sie brauchten einen Vermittler, Ned«, begann mein Vater und knirschte mit den Zähnen. »Sie brauchten jemanden, der die Mannschaft für den Raub organisiert.«
Ich drehte mich zu ihm, doch er blickte weiter geradeaus. »Wer, Pop?«
»Nicht die Ehefrau, wenn es das ist, was du meinst. Oder dieser andere Trottel, den sie umgebracht haben.«
Ich nickte. »Das
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