Die Pan-Trilogie, Band 3: Die verborgenen Insignien des Pan (German Edition)
neben ihm nieder. Seine blauen Augen sahen mich an, ohne mich wahrzunehmen. Ich versuchte mit meinen Händen das herausströmende Blut aus seinem Brustkorb zurückzudrängen. Es gelang mir nicht. Wieso konnte ihm das Drachengift etwas anhaben? War es die gleiche Mischung, die auch mich außer Gefecht gesetzt hatte? Ich zog meine Jacke aus, presste sie auf seinen Brustkorb. Der Blutstrom hörte auf. Hoffnung keimte in mir auf. »Ciaran!« Meine Stimme überschlug sich. »Ciaran. Sieh mich an!« Ich drehte vorsichtig sein Gesicht zu mir. Der Kopf fiel leblos zur Seite. Er atmete nicht mehr.
Lee stürmte an mir vorbei, das Schwert zum Schlag erhoben. Ich hoffte, er würde den Drachen nun endgültig erledigen. Egal wer er war. Aber dann zögerte Lee.
»Worauf wartest du?«, schrie ich. Ich fühlte Tränen über meine Wangen laufen. »Tu es. Sonst tu ich es.«
Lee rührte sich nicht. Ich sprang auf, lief zu ihm und wollte ihm schon das Schwert aus der Hand reißen, um es dem Drachen in den Körper zu stoßen.
Doch da war kein Drache mehr.
Mit zwei Speeren, einen in der Brust und einem im Oberarm lag vor uns am Boden – Phyllis.
Sie lebte noch, atmete aber schwer. Bebend fixierte sie Lee und mich und röchelte dabei.
»Phyllis.« Mir sackten die Knie weg. Erst Ciaran. Dann Phyllis? Phyllis. Meine beste Freundin, Phyllis. Das hübscheste Mädchen vom Horton College. Meine beste Freundin, seit wir von Cornwall nach London gezogen waren. Ihre Freundschaft war nur Berechnung gewesen? Sie war ein Spion, der mich überwachte?
Phyllis sah mich mit ihren schokoladenbraunen Augen an. Es lag keine Reue darin, kein Bedauern. Dann brach der Blick.
Lee half mir auf die Beine. »Du musst hier weg. Sofort.«
Ich war zu erschüttert, um zu widersprechen. Ciaran tot. Phyllis ein Drachenkind und auch tot.
»Komm schon, Fay.« Er warf mich kurzerhand über die Schulter. Es war mir egal. Dann rannte er mit mir über das Schlachtfeld. Ich schloss die Augen. Und sah sofort wieder Ciaran vor mir, dessen Kopf wegknickte. Also öffnete ich sie wieder. Wir rannten über leblose Körper. Einmal strauchelte Lee und ich erkannte eine große rote Lache. Immer wieder dröhnte es oder jemand schrie. Es war schrecklich laut. Ich wollte, es wäre ruhig. Ich wollte, die Schreie würden enden. Oder das Gebrüll.
Den Wunsch erfüllte mir jedoch niemand. Es wurde nur etwas ruhiger, als Lee die Schule erreichte. Die Elfen hatten das Feuer bereits gelöscht. Es rauchte und stank nach Qualm. Lee brachte mich dennoch in den hinteren Teil des Gebäudes, dorthin, wo die Bibliothek war.
Er ließ mich langsam zu Boden gleiten und lehnte meinen Rücken an eine Wand. »Fay, ich muss wieder gehen«, sagte er und nahm mein Gesicht in seine Hände.
Ich wusste, er würde gehen, auch wenn ich ihn bäte zu bleiben. Er war nicht so feige wie Liam und Fynn. Ich atmete tief ein. Er roch nach Moos und Heu. Wer wusste, ob ich diesen unverwechselbaren Lee-Duft noch einmal riechen würde.
»Wenn ich nicht zurückkomme, bring dich in Sicherheit. Versprich es mir.«
Ich sah ihn an, versuchte mir sein Gesicht einzuprägen. Diese markanten blauen Augen mit dem dunklen Rand um die Iris, seine kleinen Fältchen zwischen den Augenbrauen.
»Ich liebe dich. Vergiss das nie.« Lee beugte sich vor und küsste mich. Dann war er fort.
Und ich blieb heulend zurück.
»Na, wenn das nicht die auserwählte Unruhestifterin ist«, sagte unvermittelt eine Stimme aus dem dunklen Gang.
Ich wischte mit dem Ärmel über meine Nase. Ich wollte allein sein. Ich wollte jetzt heulen und meiner Trauer freien Lauf lassen. Ich war nicht in Stimmung für Gesellschaft und wollte auch nicht dabei gesehen werden.
Aber die Gestalt, die sich jetzt aus dem Dunklen löste, konnte man nicht ignorieren oder zum Teufel wünschen.
Oberon trat aus dem Schatten.
DER VERRÄTER
»Endlich«, sagte er und um seinen Mund lag ein siegessicheres Lächeln. »Ich hätte diesen Moment gerne schon früher herbeigeführt, aber du warst ständig unter den Argusaugen meines Sohnes.«
Er blieb vor mir stehen und ich schluckte. Oberon war niemand, in dessen Gegenwart man sich wohlfühlte.
»Du bist erstaunlich rege, Felicity Morgan. Die Auserwählte und Retterin der Elfenwelt. Aber irgendwie sieht es im Moment nicht danach aus, als könntest du uns retten.«
Nein, ich hatte Ciaran nicht retten können. Ich, die ich angeblich diesen Krieg hätte vermeiden sollen, hatte nichts dagegen tun können. »Wie hätte ich
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