Die Pan-Trilogie, Band 3: Die verborgenen Insignien des Pan (German Edition)
in der wir hätten stöbern können, dachte ich und sah Lee an.
Er starrte zurück. Und ehe er den Gedanken ausformulierte, wusste ich schon: Es gab eine! Wir setzten uns beide gleichzeitig auf.
Ohne ein Wort zu wechseln, zog ich Jacke und Schuhe an und Lee nahm den Autoschlüssel.
Wir fuhren aus der Stadt in Richtung Nordosten. Nach ungefähr einer Stunde verließ Lee die Autobahn und lenkte den tiefliegenden Sportwagen auf einen für ihn ungeeigneten Feldweg. Den Rest mussten wir zu Fuß bestreiten. Auch wenn die Tage bereits merklich länger hell waren, war es um sieben Uhr abends dunkel. Lee schaltete eine Taschenlampe ein, nahm meine Hand und führte mich in den vor uns liegenden Wald hinein.
»Unter anderen Umständen hätte ich vermutet, dir wäre der Sprit ausgegangen«, sagte ich und zuckte erschrocken zusammen, als direkt neben mir etwas vorbeihuschte.
»Da wäre ich schön bescheuert. Wo ich doch zu Hause ein großes Bett und ein leeres Haus habe«, sagte Lee nur und zog mich bis zu einer Lichtung.
Mein Halbelf dachte praktisch. »Was tun wir hier? Du wolltest mir schon auf der Fahrt nicht sagen, wohin wir fahren. Ich weiß nur, dass Avalon nicht nordöstlich von London liegt.«
»So? Wo liegt es denn?« Lee ging ungerührt weiter.
Er konnte augenblicklich vom spielerischen Verführer auf den knallharten Agenten umschalten. Im Moment war ich mit dem Agenten im Wald unterwegs. Ich war ein wenig frustriert, weil ich das nicht vermochte. Das zeigte mir wieder, wie viel Erfahrung Lee in seinem Leben schon gesammelt hatte. »In Somerset«, antwortete ich, ohne zu zögern. »Zumindest der Artussage nach. Und dann gibt es noch eines in Frankreich. Aber das schreibt sich falsch.«
»Es liegt hinter den Nebeln, Felicity.« Lee war stehen geblieben. »Wo genau das ist, weiß kein Mensch.«
»Aber ein Elf?«, hakte ich nach. Dann erst sah ich mich um. Wir befanden uns auf einer Lichtung und der Schein von Lees Taschenlampe beleuchtete auf dem Boden ein paar kleine Steine, sorgsam aufgereiht, die runde Muster bildeten und dessen Wege in Schlingen hin- und herführten. Ein Labyrinth. Ich runzelte die Stirn. »Was tun wir hier?«
»Wir gehen nach Avalon. Komm mit.« Wieder nahm er meine Hand und führte mich zu einer Lücke zwischen den äußeren Steinen. »Das ist der Eingang.«
»Das ist ein Scherz, oder?«
Er antwortete nicht, hielt nur einen Finger an seine Lippen und zog mich mit sich. Wir gingen quasi im Kreis über die Lichtung, folgten den Windungen der Steine, bis sie enger und enger wurden. Ich achtete auf Lees Schritte, und da er sorgsam darauf bedacht schien keinen der Steine zu berühren, die den Pfad säumten, machte ich es ihm nach.
Weil die Kreise enger wurden, wurde es schwieriger und ich konzentrierte mich auf meine Füße und den nächsten Schritt. Und endlich war der Weg zu Ende. Eine Sackgasse. Ich sah ratlos zu Lee auf und wollte schon sagen: Was jetzt?, aber dann staunte ich.
Wir standen inmitten eines Apfelhains.
AVALON
Anscheinend war das Klima hier milder, denn die Apfelbäume hatten bereits junge Triebe. Am Horizont ging die Sonne unter und tauchte die Insel in ein warmes, orange-rosafarbenes Licht.
»Das wollte ich dir schon immer zeigen«, sagte Lee leise. »Aber dabei hatte ich eher eine Picknickdecke und viel Zeit im Sinn.«
Ich lächelte ihn an. »Das heißt, wir müssen noch einmal hierher.« Ich blickte zurück. Es befand sich hier kein Labyrinth auf dem Boden. Nur das erste, kurze Frühlingsgras. »Hast du nicht einmal erklärt, die Dinger führten nur in die Anderwelt?«
Lee nickte. »Ja, aber Avalon ist ein Teil der Anderwelt. Es ist zwar für Menschen und Halbelfen erreichbar, aber nicht mit Bus oder Bahn. Man muss den Weg hinter die Nebel kennen. Ich finde das gut. Sonst hätte Hilton hier bestimmt auch schon ein Hotel stehen und TUI eine Ferienanlage mit Animation. Stell dir vor, hier würde morgens zum Zumba-Kurs aufgerufen werden.«
Ich kicherte bei der Vorstellung und sog noch einmal das ruhige und idyllische Bild der Insel ein. Mein Lächeln verblasste, als ich die Mauern der Festung sah. »Wie kommen wir dort hinein? Was sollen wir sagen?«
Lee hob auf seine unnachahmlich überhebliche Art eine Augenbraue. »Warst du schon einmal in der Bibliothek?«
Ich nickte.
»Dann weißt du, dass sie viele kleine Nischen und Durchgänge besitzt.«
Ich nickte wieder.
Er sah mich nur an und grinste.
Ich holte tief Luft und wollte an ihm vorbei. »Na dann los.«
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