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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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markieren damit die Türen einer Kirche, in der nur das Wort gilt und die frei von den Sünden der Bilderverehrung ist. Wie die Angehörigen des Volkes Israel in Ägypten ihre Türen mit Schafsblut kennzeichneten, damit der Todesengel an ihnen vorübergehen und nur die Erstgeburt der Ägypter töten sollte, so hoffen sie, dass Gott das kommende Verhängnis nur auf die Sünder wirft …«
    »Hätte der Herr Konstantinopel dann nicht längst dem Erdboden gleichmachen müssen wie Sodom und Gomorrha?«, gab Arnulf zurück.
    »Vielleicht beginnt er damit ja gerade, indem er die Bulgaren nach Thracien geschickt hat – zumindest aus Sicht dieser Fanatiker.«
     

Neunzehntes Kapitel

Geständnisse und Wendungen
     
     
     
    »Für heute ist die Arbeit geschafft«, sagte Li seufzend. »So sieht man, dass es auch mit weniger Händen geht, wenn es sein muss …«
    Der blinde Christos nickte. Die anderen Tagelöhner waren längst fort, aber Christos hatte ihr noch geholfen, eine Liste dessen zu erstellen, was dringend auf dem Forum Tauri eingekauft werden musste. Die Liste war erschreckend lang, wie Li feststellte. Insbesondere wurden geeignete Lumpen knapp. Die Händler, die Konstantinopel auf dem Landweg erreichten, kamen nicht mehr, seitdem die Bulgaren in Thracien eingefallen waren. Und diejenigen, die in der Stadt lebten, trieben einfach nicht genug Nachschub an alten Kleidern auf, obwohl die Preise dafür inzwischen spürbar gestiegen waren – ein Umstand, an dem Li nicht ganz unschuldig war. Ihre Gedanken über Papier aus Hanf wurden daher immer ernsthafter.
    Ein paar Blätter hatte sie bereits geschöpft, die nur aus zerstampften Hanffasern bestanden. Aber wirklich zufrieden war sie mit dem Resultat nicht. Diese Blätter wirkten farblos und zerrissen leicht, außerdem war es schwierig, sie so glatt und gleichmäßig zu bekommen, wie man dies vom Lumpenpapier gewohnt war. Es war ganz und gar nicht gleichgültig, welche Art von Fasern man zu Brei zerstampfte, um sie anschließend zu Papier zu verarbeiten.
    Sie erinnerte sich nicht zum ersten Mal der Worte ihres Vaters. »Bei jedem neuen Stoff hat man die Kunst seines Handwerks ein zweites Mal zu lernen«, sagte Meister Wang einmal.
    Wie sehr er damit Recht hatte, spürte sie nun. Aber sie dachte nicht daran, aufzugeben. Mit Geduld würde sie es hinbekommen, auch aus Hanf ein Papier zu machen, das vielleicht nicht ganz so hohe Maßstäbe erfüllte, aber zumindest als Briefpapier taugte.
    »Warum sind heute eigentlich nicht alle gekommen, die sonst in meiner Werkstatt die Stampfer rühren?«, fragte Li an Christos gewandt. »Es finden meines Wissens heute keine Spiele statt.«
    »Das hättet Ihr bestimmt gemerkt!«, stimmte Christos zu.
    »Aber was kann es sonst sein? Hat jeder von denen einen Sack mit Münzen gefunden, sodass er für das nächste Jahr nicht mehr zu arbeiten braucht? Oder sind sie angesichts der Bulgarengefahr allesamt fromm geworden und haben ein Armutsgelübde als Mönch abgelegt?«
    »Es gibt zurzeit mehr Arbeit im Hafen«, sagte Christos. »Jedenfalls habe ich einige Männer davon sprechen hören – und Ihr wisst, ich höre recht gut.«
    Das klang einleuchtend. Schließlich musste die Stadt im Moment von der See aus versorgt werden, und das bedeutete, dass selbst Händler aus Makedonien sich zum Eutherios-Hafen einschifften, um ihre Waren in der Kaiserstadt anbieten zu können. Aber Li spürte, dass dies nicht der einzige Grund war. Vor allem konnte er nicht für jeden ihrer Tagelöhner gelten, die an diesem Tag ausgeblieben waren. Normalerweise konnte sie sich vor Interessenten nicht retten und musste vielen absagen – auch weil sie fürchtete, dass das Gildengericht ihr sonst weitere Knüppel zwischen die Beine warf. Bislang hatte man ihr zwar verboten, Lehrlinge auszubilden und Gesellen anzustellen, aber gegen die Hilfsdienste ihrer Tagelöhner war niemand eingeschritten, obwohl sie in der Gerbergilde sicher ebenfalls Missfallen erregten. Es konnte also durchaus noch härtere Maßnahmen gegen sie geben, denn dass sie – gerade wegen ihrer bevorzugten Stellung als Lieferantin des Hofes – keineswegs nur Freunde in der Stadt hatte, wurde ihr des Öfteren schmerzvoll ins Bewusstsein gerufen. Schmerzvoll vor allem deshalb, weil sie immer nach Harmonie strebte und den Gedanken, ein Ärgernis für andere zu sein, unerträglich fand. Aber das war in diesem Fall wohl nicht zu ändern.
    »Hast du vielleicht noch von etwas anderem gehört als

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