Die Papiermacherin
sie?«
»Ich kenne sie kaum.«
»Du hast mir einiges über Saxland erzählt – aber noch lange nicht genug, sodass ich vieles nicht weiß«, sagte sie. »Ist es nicht so, dass Männer deines Standes zumeist eine Frau haben, mit deren Familie sie verbunden sein wollen, und noch eine andere, mit der nur ihr Herz verbunden ist?«
»Ja, das gibt es auch bei uns«, bestätigte Arnulf. »Eine Kebs-Ehe nennt man das. Andere nennen sie auch normannisch. Aber so etwas kann sich ein einfacher Ritter wie ich nicht erlauben, wenn man ins Kaiserhaus einheiratet …«
»Oh!«, entfuhr es ihr. Aber sie fasste sich schnell. Sie hatte einen schönen Traum gehabt von einem Ritter, der sie auf seine Güter mitnahm. Doch das würde ein Traum bleiben. Von Anfang an war ausgeschlossen gewesen, dass er sich erfüllte. Warum hätte ich es aber nicht genießen sollen?, dachte sie. Schließlich gehörte dieser Traum zweifellos zu dem wenigen Guten, das ihr seit ihrer Verschleppung widerfahren war. Und was hinderte sie eigentlich daran, ihn zu Ende zu träumen, so viel wie möglich davon in sich aufzunehmen?
»Glaubst du, dass du mit dieser …«
»Woda.«
»… glücklich werden wirst?«
»Nein.«
»So war unsere Begegnung hier in Konstantinopel vielleicht das Maß an Glück, das der Herr uns zugedacht hat. Aber wir können uns immer daran erinnern.«
»Das werde ich ganz bestimmt! Ich könnte dich niemals vergessen!«
Er zog sie an sich, und sie küssten sich mit einer Inbrunst, in die sich Schmerz mischte. Eng umschlungen gingen sie wenig später hinauf ins Obergeschoss. Als sie auf Lis Lager sanken, war es nicht aufgestaute, zügellose Leidenschaft, die sie antrieb. Sie dehnten ihre Vereinigung aus, unendlich viel langsamer und inniger als vorher. Fast so, als wollten sie jeden Moment bis zur Neige auskosten, um sich später umso genauer an ihn zu erinnern.
Li erwachte an Arnulfs Seite. Ihr Kopf lag an seiner Schulter, und sie spürte seinen gleichmäßigen Atem.
An einem der Fensterläden knarrte es, als versuchte jemand, ihn aufzubrechen.
Sie war sofort hellwach. »Arnulf!«, flüsterte sie, auch er hatte die Augen bereits aufgeschlagen. Es war fast stockdunkel in der Kammer. Stimmen waren draußen zu hören. Holz barst, und dann hörten sie Schritte.
Arnulf war sofort auf den Beinen.
Nur in der Hose und mit dem Schwert in der Hand lief er die Treppe hinunter. Li folgte ihm, nachdem sie sich etwas übergeworfen hatte.
Fackeln leuchteten in den Räumen der Werkstatt. Schattenhaft waren Gestalten zu erkennen. Hier und da flackerte der Schein des Feuers über hassverzerrte Gesichter.
»Verschwindet!«, rief Arnulf und ließ das Schwert durch die Luft kreisen. Die Eindringlinge – es waren mindestens fünf oder sechs – wichen zurück, während ein Stapel fertiger Papierbogen in Flammen aufging.
Die Eindringlinge flohen aus der Tür und durch das aufgebrochene Fenster. Die Zugluft fachte das brennende Papier an. Die Alabasterblende eines Fensters fing ebenfalls Feuer.
Arnulf jagte die Eindringlinge hinaus. Sie rannten die Gasse entlang und waren kurz darauf hinter der nächsten Ecke verschwunden. Li lief unterdessen in den Nebenraum, wo die Bottiche voller Wasser mit halbzerstampften Lumpen standen. Sie raffte so viele dieser Lumpen zusammen, wie sie tragen konnte, hastete damit zurück in den Vorraum und warf die nassen Knäuel auf die emporzüngelnden, sich rasend schnell ausbreitenden Flammen.
Arnulf kam angerannt. Li holte bereits den zweiten Armvoll triefender Lumpen, die zischend auf die Flammen fielen. »Hilf mir!«, rief sie.
Arnulf legte das Schwert zu Boden. In fliegender Eile begann er ebenfalls mit feuchten Stoffknäueln die Flammen zu ersticken. Immer wieder zischte es, und es dauerte nicht lange, bis sie das Feuer gelöscht hatten. Mit einem Mal war es so dunkel, dass sie kaum die Hand vor Augen sehen konnten, und der beißende Qualm um sie herum wurde unerträglich. Arnulf öffnete rasch alle noch geschlossenen Fensterläden, und Li schloss die Hintertür des Gebäudes auf, die zum Innenhof hinausführte.
Sie rang hustend nach Luft, wenig später stand Arnulf neben ihr und keuchte. Der Innenhof lag im Finstern. Das Licht der Öllaternen, die aus Konstantinopel einen Ort machten, an dem es auch in tiefster Nacht nie vollkommen dunkel war, reichte nicht bis hierher. Dafür wölbte sich über ihnen der Sternenhimmel, und der Mond stand als großes, fahles Oval dort oben und schien auf sie
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