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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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Röcheln klang. Dann klappte im Obergeschoss ein Fensterladen geräuschvoll zur Seite. Ein Mann stürzte rücklings durch das Fenster und riss dabei den Vorhang mit sich.
    Nur einen Herzschlag später schlug der Mann schwer wie ein nasser Mehlsack kaum fünf Schritte von Li entfernt auf der Straße auf und blieb regungslos liegen. Das Mondlicht fiel auf Gesicht und Oberkörper. Die Augen waren starr, der Mund wie zum Schrei geöffnet, und in seiner Brust steckte ein Dolch, der ihm bis zum Heft in den Körper gestoßen worden war. Der Mann selbst hielt ein schmales, leicht gebogenes Schwert in der Hand. Die Finger seiner Rechten krampften sich noch im Tod um den Griff.
    Li stand wie gelähmt da. Sie wagte kaum zu atmen.
    Das Fenster, aus dem der Mann gefallen war, lag völlig im Schatten. Sie konnte nicht ins Innere sehen, aber es war in der Dunkelheit irgendeine Bewegung erkennbar.
    Und Stimmen.
    Sie sprachen in der Zunge Saxlands.
    Li zog sich in eine benachbarte Hausnische zurück und wartete. Nur wenige Augenblicke später hörte sie Schritte. Die Tür von Nedjans Gasthof wurde aufgestoßen, und eine Gestalt trat ins Freie. Es war niemand anderes als Arnulf. Er trug enganliegende Hosen und ein leinenes Unterziehgewand. In der Hand hielt er sein Schwert. Um Stiefel anzuziehen oder den Waffengürtel anzulegen, war offensichtlich keine Zeit gewesen.
    Arnulf trat auf den Toten zu, beugte sich nieder und zog ihm den Dolch aus der Brust. Das Blut wischte er an der Kleidung des Toten ab.
    Als er sich wieder aufrichtete, glitt sein Blick genau in jene Richtung, aus der Li ihn beobachtete. Er starrte sie an, und es konnte keinerlei Zweifel daran geben, dass er sie tatsächlich sehen konnte. Eigentlich hatte Li geglaubt, dass der Schatten sie verbarg. Aber offenbar hatte sie sich getäuscht. Sie schluckte. Arnulf machte einen Schritt in ihre Richtung.
    »Bist du es – die Frau, die meinen Namen kannte?«, fragte er.
    Li trat jetzt auf ihn zu. »Ja«, sagte sie. Sie deutete auf den Toten. »Dieser Mann wollte Euch im Schlaf umbringen?«
    »Das scheint dich nicht zu überraschen!«
    Das Mondlicht spiegelte sich in seinen Augen. Und dann sprudelte es nur so aus ihr heraus. Sie nahm keine Rücksicht auf richtige Anreden oder sprachliche Feinheiten. Mochte ihr Latein ruhig so barbarisch klingen, wie es wahrscheinlich auch war! Hauptsache, er verstand die eindringliche Warnung, die sie ihm geben wollte und von der sie sich jetzt wünschte, sie hätte sie ihm schon vorher zukommen lassen. »Thorkild Eisenbringer will Euch töten. Vielleicht durch einen Mann, der für Geld tötet – oder er tut es selbst, wenn er später auf Euch lauert!«
    Arnulf trat näher. Sein Gesichtsausdruck verriet Misstrauen.
    »Woher weißt du das?«
    »Ich habe gehört, wie Thorkild mit Kentikian darüber gesprochen hat.«
    »Wer ist Kentikian?«
    »Der oberste Hofschreiber des Statthalters. Sie dachten, ich verstehe sie nicht, weil sie in der Sprache der Griechen redeten … Da habe ich Euren Namen zum ersten Mal gehört – Arnulf von Ellingen.«
    »Du kannst auch Griechisch?«
    »Bitte glaubt mir – sonst reitet Ihr in den Tod.«
    »Ich bin nicht sehr ängstlich«, erwiderte Arnulf.
    »Ihr wollt im Auftrag Eures Herrschers ins Land der Eisenberge gelangen – aber das will Thorkild um jeden Preis verhindern.«
    Inzwischen waren im Haus weitere Geräusche zu hören. Wenig später trat der Mönch ins Freie, gefolgt von dem Jungen. Der Mönch öffnete beide Flügel. Wie üblich befanden sich im Erdgeschoss Stallungen und Lagerflächen. Ein Pferd wieherte. Offenbar machte sich jemand an den Tieren zu schaffen. Li hoffte, dass der Junge bereits die Pferde sattelte – denn es lag auf der Hand, dass die Fremden Samarkand so schnell wie möglich verlassen mussten.
    »Geht noch in dieser Nacht!«, riet Li. »Die Wachen am Tor werden Euch passieren lassen, wenn Ihr ihnen ein paar Silberstücke gebt.«
    »Bist du sicher?«
    »Die sind nur misstrauisch, wenn jemand herein will – aber wenn jemand die Stadt verlassen möchte, sind sie bestechlich.«
    Der Mönch sprach jetzt mit Arnulf und sah sich kurz den Toten an. »Fra Branaguorno hat den gleichen Gedanken wie du – nämlich, dass wir uns schleunigst davonmachen sollten!«
    »Dann hört auf ihn.«
    »Er wundert sich aber darüber, weshalb du uns warnst!«
    Ihre Blicke begegneten sich erneut. »Weil ich der Stimme des Herzens folge«, sagte Li. »Und nun geht und haltet Euch vom Land der

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