Die Partie. Thriller (German Edition)
Oberschenkel, den sie als Kissen benutzt. Sie schläft.
Das gestohlene Auto hat Kimski am Parkplatz des Fernmeldeturms am Neckarufer im Schutz blühender Büsche abgestellt. Wahrscheinlich hat man mittlerweile ganz Mannheim und die umliegenden Ortschaften und Waldgebiete nach dem Fahrzeug abgesucht.
Kimskis Hoffnung ist, dass niemand auf dem abgelegenen Parkplatz nachgesehen hat, lediglich einen Kilometer von dem Ort entfernt, an dem sie mit dem SEK-Trupp zusammengestoßen sind. Der öffentliche Teil des Parks ist eines der schlechtesten Verstecke, das man sich ausdenken kann. Kein Flüchtiger im Besitz eines PKWs wird in Betracht ziehen, nach drei Straßen den Wagen zu verstecken, sich im Park auf eine Bank zu setzen und ein Nickerchen zu halten. Und gerade deshalb, weil dieses Versteck so absurd ist, glaubt Kimski, dass es ihnen den größten Schutz bieten kann. Außerdem wollte er sich nicht weit von der Innenstadt entfernen, damit sie vor Ort sind, wenn wieder etwas passiert.
Kimski blickt hinab. Er legt das Buch zur Seite und starrt Eva an. Ihr Gesicht wirkt zerbrechlich im zarten Licht der Morgendämmerung. Als wäre es aus Porzellan. Und doch steckt hinter ihrer feinen Erscheinung eine starke Frau. Er kann seinen Blick nicht von ihr wenden. Sein Blick bleibt auf ihren Lippen haften.
Eva öffnet langsam ihre Augen und sieht ihn mit verschwommenem Blick an.
»Ist was?«
Kimski schüttelt zaghaft den Kopf. Wenn sie den kommenden Tag heil überstehen, wird er sie zum Essen einladen.
»Wie lange habe ich geschlafen?« Sie richtet sich auf. Kimskis Jackett, das sie als Decke verwendet hat, fällt neben ihr auf die Bank.
»Fast zwei Stunden.«
»Wow.« Sie streicht sich durchs Haar, als hätte sie die vage Hoffnung, dadurch weniger verschlafen auszusehen. »Und Sie?«
»Ich habe in dem Krähenbuch geblättert.«
»Ach ja«, langsam wird sie munterer, »da war ja noch was. Haben Sie etwas Spannendes entdeckt?«
»Ich weiß nicht.«
Er zeigt ihr das aufgeschlagene Buch.
»Es handelt von einer Geheimgesellschaft zu Zeiten von Carl Theodor, die sich die Zwei Krähen nennen. Sie haben aufklärerische Ziele und berufen sich dabei auf irgendwelche altgermanischen Schriften. Keine Ahnung, was das soll.«
»Hugin und Munin also!«
»Sie kennen die? Ich habe zum ersten Mal von ihnen gelesen.«
»Hugin und Munin, das sind die zwei Krähen von Odin. Und es stimmt – die Edda, eine altisländische Heldensage hat die Aufklärer in Deutschland inspiriert. Da macht es schon Sinn, wenn eine Geheimgesellschaft sich nach den Krähen benennt. Aber was hat Carl Theodor damit zu tun? Er war doch derjenige, der die Illuminaten verbieten ließ.«
»In dieser Erzählung wird unterstellt, dass Carl Theodor nach dem Tod seines Thronfolgers der Geheimgesellschaft beigetreten ist.«
»Geben Sie mal her.«
Er drückt ihr das Buch in die Hand. »Aber beeilen Sie sich mit dem Lesen, wir sollten nicht ewig hier herumsitzen.«
31
Der Oberbürgermeister sitzt auf dem Stuhl und starrt auf die Schachfiguren, die vor ihm auf dem Tisch stehen. Er hat keine Ahnung, wie spät es ist, denn die Fenster sind noch immer verdunkelt.
Vor vielleicht einer Stunde hat ihn der vermummte Helfer seines Entführers aus dem dunklen Verlies des Schranks geholt und ihn zurück in das große, aber nicht weniger dunkle Verlies dieses Raumes gebracht. Zuerst hat er ihm aber die Augen verbunden und ihn eine Treppe hinabgeführt. Dort gibt es eine Toilette, die er zweimal am Tag benutzen darf; natürlich ohne die Augenbinde abzunehmen. Sein Bewacher bleibt die ganze Zeit bei ihm.
Als er wieder im oberen Stockwerk ankam, wurde er an den Stuhl gebunden und man nahm das Tuch von seinen Augen. Der Vermummte verließ daraufhin den Raum.
Der Chef der Entführer kommt durch eine Nebentür und setzt sich zu ihm an den Tisch. »Haben Sie gut geruht?«
Der Entführte sagt nichts.
»Es steht uns ein anstrengender Tag bevor, Sie werden sehen.«
»Ich spiele nicht mehr mit.«
»Oh«, der Entführer dreht sich auf dem Stuhl, schlägt ein Bein über das andere und lehnt sich zurück. »Das ist schade. Wirklich, sehr schade.«
»Machen Sie mit mir, was Sie wollen, aber ich werde nicht länger Teil Ihres perversen Spektakels sein!«
»Was sollte ich mit Ihnen machen wollen? Seien Sie nicht albern. Sie nehmen sich zu wichtig. Was zählt, ist der Wettkampf.«
Der Oberbürgermeister blickt den Entführer ausdruckslos an.
»Sie sind sich wirklich sicher, dass
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