Die Partie. Thriller (German Edition)
Gemälde finden?«
»Es ist so ein Gefühl.«
»Ein Gefühl«, Eva sieht ihn an und muss unwillkürlich kichern.
»Warum lachen Sie?«
Sie hält sich die Hand vor den Mund. Er blickt zu ihr und lächelt sie an.
»Ach, nichts«, sie fängt sich wieder. »Ich weiß auch nicht. Es ist irgendwie witzig.«
»Was denn?«
»Na, Sie als knallharter Typ, prügeln sich durch die Nacht – und morgens stehen Sie hier und erzählen was von einem Gefühl. Intuition ist doch eigentlich Frauensache.«
»Ja und? Außerdem musste ich den Kerl doch schlagen. Ich habe Ihr Leben gerettet!«
Den letzten Satz hat er mit gespieltem Entsetzen betont. Er hat immer noch nicht verstanden, wie er es geschafft hat, sie zu belustigen, aber er findet es schön, wenn sie sich freut.
»Ich finde es doch nur lustig, dass ein Prototyp von einem Mann wie Sie hier einen auf weiblichen Spürsinn macht.«
Kimski hat noch nie darüber nachgedacht, ob er der Prototyp eines Mannes sein könnte; was auch immer das heißen mag. Verwirrt, und ein bisschen geschmeichelt, starrt er sie an.
»Ach, ist schon gut«, sagt Eva und wendet sich dem Gemälde zu.
»Wahrscheinlich war es gar nicht witzig. Vielleicht hatte ich es einfach nur nötig, mal wieder etwas zu lachen.«
»Lachen Sie ruhig öfter über mich«, sagt Kimski und denkt: Wenn Sie lachen, sehen Sie nämlich noch schöner aus. »Außerdem scheint meine Intuition mich getäuscht zu haben.«
»Ich glaube, ich habe Ihren versteckten Hinweis gefunden«, sagt sie plötzlich.
»Ehrlich?«
»Sehen Sie sich mal das Fenster im Hintergrund an.«
»Hm. Sieht aus wie die Kuppel einer Kirche.«
»Genau. Und wenn Sie mich fragen: Das könnte die Rückseite der Jesuitenkirche sein, die gegenüber des Schlosses steht.«
Kimski zuckt mit den Achseln.
»Sagen Sie das jetzt nur, um mir Honig um den Mund zu schmieren?«, fragt er mit gespielter Lässigkeit.
»Nein. Sehen Sie genau hin, das könnte wirklich die Jesuitenkirche sein! Dann ist das Motiv in einem Gebäude, das sich hinter der Kirche befindet. Lassen Sie uns hingehen und nachsehen, was es sein könnte. Zumindest ist das ein Ansatz.«
»Probieren wir es aus!«
Sie sieht zu ihm auf und lächelt ihn keck an.
»Was ist denn nun schon wieder?«, fragt er, neugierig, ob sie ihn erneut auslachen will.
»Wir sind ein gutes Team«, sagt sie und schlendert los.
34
Der Entführer steht in dem kleinen Zimmer und starrt seine Krähe an. Bis er von Frank den Bericht erhält, haben sie eine weitere Spielpause eingelegt. Seine Hände wandern an seinen Hinterkopf und lösen das Band, das die Maske auf seinem Schädel hält. Langsam rutscht das geschnitzte Krähengesicht von seinem Kopf und offenbart sein wahres Gesicht, das viel älter und eingefallener ist, als es seinem eigentlichen Alter entspricht.
Er beugt sich vor und fixiert den Blick der Krähe. Kein Mensch könnte an seinem Minenspiel ablesen, was in ihm vorgeht; wie viele Gedanken seinen Kopf torpedieren und wie viele Gefühle seinen Körper durchzucken.
Geboren wurde er Anfang der siebziger Jahre in einem kleinen Dorf im Odenwald. Seine Eltern tauften ihn auf den für diese Zeit gänzlich untypischen Namen Erich. Ein Wunschkind war er nicht; sein Vater war bei seiner Geburt bereits Mitte fünfzig, die Mutter Anfang vierzig. Als der Vater mit 24 Jahren aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkehrte, hatte er den Glauben daran verloren, dass Kinder in die Welt zu setzen einen Sinn hätte.
Erich machte seinem alten Herrn niemals Vorwürfe, auch nicht dafür, dass er nie in den Arm genommen wurde. Oder für seine übermäßige Strenge.
Über körperliche Dinge wurde in seinem Elternhaus niemals gesprochen. Wenn er sich das Bein aufschlug, sagte seine Mutter ihm bestenfalls, wo er ein Pflaster finden konnte. Als er in der zehnten Klasse war, begann Erich, Nietzsche zu lesen, sich zum Atheismus zu bekennen. Andere Philosophen folgten.
Nach dem Abitur und dem Zivildienst entschloss er sich, Philosophie zu studieren. Er zog nach Heidelberg und schrieb sich an der Universität ein. Damals war er 21. Er mietete sich ein Zimmer im Stadtteil Handschuhsheim und fühlte sich zum ersten Mal in seinem Leben frei.
Doch auch das Studium zwängte ihn mit den Jahren mehr und mehr ein. Ja, es widerte ihn sogar an, dass immer nur geredet wurde, diskutiert, aber diesen Worthülsen niemals Taten folgten. Die Menschen ekelten ihn zunehmend an, sowohl die gebildeten Professoren, die sich selbst so in Szene setzten,
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