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Die Partie. Thriller (German Edition)

Die Partie. Thriller (German Edition)

Titel: Die Partie. Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Wächter
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wenn sie ihre hochgestochenen, nutzlosen Reden hielten, als auch die normalen Bürger.
    Wie seine Vermieter. Menschen, die es durchgesetzt hatten, dass ihre eigene Minderwertigkeit zum Normalzustand erklärt wurde.
    Um Zerstreuung zu suchen, kapselte er sich von der Umwelt ab, verlor sich auf endlosen Spaziergängen über den Hügeln von Heidelberg und auf dem Bergfriedhof oder zog sich in sein Zimmer zurück und ließ seine Gedanken treiben. Auf der Uni blieb er immatrikuliert, auch wenn er selbst sich nicht klar darüber war, ob er jemals den Abschluss machen würde. Als er das erste Mal Mannheim besichtigte, war er Mitte dreißig.
    Er war in der Bibliothek auf einen Band über die Geschichte der Kurpfalz gestoßen und wollte sich den Ort einmal ansehen, an dem einst ein Kurfürst lebte, der mit aufklärerischen Philosophen liebäugelte.
    Den kleinen Antiquitätenladen gegenüber den Lauerschen Gärten fand er zufällig, er hatte sich in den Quadraten verlaufen.
    Er konnte sich nicht erklären, warum ihn die Auslagen in dem
    Schaufenster magisch anzogen; vielleicht, dachte er sich, waren sie Zeugnisse einer vergangenen, besseren Zeit. Als die Welt nicht nur aus Mittelmaß bestand. Er musste den Laden betreten. Schweigend trat er über die Schwelle und stellte sich vor ein Gemälde, das eine junge Frau mit zwei Krähen zeigte. Starr musterte er das Bild. Der alte Mann, dem der Laden gehörte, sprach ihn erst nach einigen Minuten an, dann aber entwickelte sich ein Gespräch, das über mehrere Stunden ging. Alois Brun war der erste Mensch, mit dem sich Erich seit Monaten bewusst unterhielt.
    »So, so. Der junge Mann ist also ein angehender Philosoph?«
    Der alte Mann hatte eine väterliche Art, die Erich vom ersten Moment an imponierte. Zumindest verhielt Alois sich so, wie er sich einen richtigen Vater vorstellte.
    »Ja«, antwortete Erich verlegen.
    »Man könnte fast meinen, Sie schämen sich dafür?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Der Alte lächelte.
    »Kennen Sie den Witz, den man sich über den französischen Philosophen Louis Althusser erzählt?«
    »Althusser?« Erich überlegte. »War das nicht dieser Marxist, der seine Ehefrau umgebracht hat?«
    »Genau. Er hat sie im Ehebett erdrosselt, während er ihr den Rücken massierte. Danach hat er die Polizei angerufen und sich verhaften lassen.«
    »Oh. Und was ist der Witz?«
    »Man erzählte sich, dass der Herr Philosoph den Mord begangen hat, weil er endlich einmal handeln wollte. Sein ganzes Leben immer nur denken, grübeln und reden macht depressiv. Also hat er gehandelt.«
    Erich musste lachen, nicht weil er die Geschichte lustig gefunden hätte, nein; es gefiel ihm, wie der Alte sie ihm erzählt hatte.
    »Ihnen scheint dieses Gemälde dort besonders zu gefallen?«, fragte Alois.
    »Ja.«
    »Das ist eine der Geliebten des Kurfürsten Carl Theodor. Kennen Sie sich aus in der Geschichte Mannheims?«
    »Nicht so gut, nein, ich habe gerade erst ein paar Artikel gelesen.«
    »Der Kurfürst wird Ihnen gefallen. Er war ein Mann von Ihrem Schlag, glaube ich. Er grübelte viel über die Welt nach und wie man sie verbessern könnte. Ein bisschen war auch er ein Philosoph.«
    Erich blickte Alois mit leuchtenden Augen an. Er hatte das Gefühl, zum ersten Mal ein menschliches Wesen zu treffen, das sich in seine Gedankenwelt einfinden konnte, und dabei kannten sie sich erst seit wenigen Stunden.
    »Ich mache Ihnen einen Vorschlag, junger Freund. Zu Hause habe ich ein Buch, das zu wertvoll ist, um es hier im Laden zu verkaufen. Das wird Sie sicher interessieren. Wenn Sie wollen, kommen Sie doch nach Geschäftsschluss auf eine Tasse Tee mit zu mir.«
    Erich ging mit ihm mit. Alois zeigte ihm seinen Schatz: Das Buch der Zwei Krähen .
    »Ich habe das Buch zusammen mit dem Gemälde günstig von einer Privatperson gekauft. Der Mann wusste gar nicht, um welche Kostbarkeit es sich dabei handelte. Sie sind der Erste, dem ich es seither zeige.«
    Erichs Finger glitten behutsam über die Seiten, als er das Buch aufschlug.
    »Woher hatte der Verkäufer es denn?«
    »Das weiß ich nicht. Er sagte, es sei seit Generationen in Privatbesitz. Eher wahrscheinlich finde ich, dass es irgendjemand in den Wirren des Zweiten Weltkriegs in einem Schlosskeller gefunden und sich unter den Nagel gerissen hat. Im Mannheimer Schloss wurden damals sogar die Sarkophage der alten Fürsten aufgebrochen und geplündert. Vielleicht hat der Besitzer das Buch auf einem Trödelmarkt gekauft, oder er hat es selbst

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