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Die Partie. Thriller (German Edition)

Die Partie. Thriller (German Edition)

Titel: Die Partie. Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Wächter
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gestohlen.«
    Sie unterhielten sich noch eine Weile, dann zog sich Alois zurück und ließ seinen Gast in Ruhe lesen. Erich vergaß die Zeit. Als der Alte zurück ins Wohnzimmer kam, war es zwei Uhr nachts.
    »Sie können gerne auf der Couch übernachten. Die Bahnen fahren nur noch selten um diese Uhrzeit.«
    Alois’ Stimme war noch immer so freundlich, so väterlich, dass Erich nicht nein sagen konnte. Er legte sich hin und las weiter, das Buch hatte seine Sogwirkung entfaltet. Es entführte ihn ein bessere Zeit. Eine Welt, in der die Menschen ihrem Verstand noch vertrauten, die Schönheit verehrten. An Schlaf war für ihn nicht zu denken.
    Als er die Lektüre beendet hatte, zeigten sich bereits die ersten Strahlen der Morgensonne über den Dächern der Stadt. Sein Entschluss stand fest. Er würde einen Schlussstrich unter sein bisheriges, verkorkstes Leben setzten. Er wollte einen neuen Anfang und allumfassende Veränderung. Er erhob sich, warf die Decke, die ihm Alois gegeben hatte, von sich und lief in den Flur. Er öffnete die Tür des Schlafzimmers und trat ein.
    »Erich? Sind Sie das?«, krächzte der alte Mann verschlafen.
    Erich sagte nichts. Er wollte nicht reden, er wollte handeln. Erst als er über dem Alten saß, ihn mit seinem Gewicht nach unten drückte und den Hals mit seinen Händen umfasste, entwich ihm ein leises, wehleidiges Vater .
    Er presste seine Hände so lange zusammen, bis er sicher war, dass kein Atem mehr aus der Nase von Alois kam. Es schien ihm wie eine Ewigkeit. Als er keine Kraft mehr in den Fingern hatte, stand er auf und starrte den Mann an. Erich hatte keine Zweifel. Alois Brun war tot.
    Erich drehte sich um, ging ins Wohnzimmer und stellte sich an das Fenster, von dem aus man den Hof sehen konnte. Dort stand er eine ganze Stunde und beobachtete den Sonnenaufgang.
    Einen Plan für sein weiteres Vorgehen entwickelte er erst am späten Nachmittag. Mit dem Gedanken, dass er sich selbst stellen könnte, spielte er nicht ernsthaft. Er war davon überzeugt, dass sein Intellekt groß genug war, um den perfekten Mord zu begehen. Den perfekten Mord.
    Natürlich hatte er Spuren hinterlassen, aber das müsste sich lösen lassen. Als Erstes müsste die Leiche verschwinden. Er zog mehrere Möglichkeiten der Entsorgung in Betracht, bis er sich daran erinnerte, in einem Artikel über einen Mafiakiller gelesen zu haben: Dieser hatte über einhundert Menschen in Säure aufgelöst.
    Er nahm sich die Schlüssel des Hausherrn und dessen gefüllten Geldbeutel und ging in die Stadt, um zu recherchieren, wie er vorgehen müsste. In einem Internet-Café setzte er sich an einen der Computer und ermittelte, welche Substanzen er für ein Säurebad benötigen würde. Konzentrierte Schwefelsäure kaufte er in einer Apotheke, Kochsalz im Supermarkt.
    Zurück in der Wohnung, kleidete er die Badewanne mit Plastikfolie aus. Der Transport des Toten vom Schlafzimmer ins Bad stellte sich als schwierig heraus. Immer wieder musste er eine Pause einlegen, als er den steifen Körper zehn Meter über den Boden schleifte und in die Wanne hievte.
    Er ließ Wasser einlaufen und mischte die Zutaten zusammen.
    Nach ein paar Stunden füllte er das, was von der Leiche noch übrig war, in einen blauen Müllsack. Den vergrub er im Käfertaler Wald.
    Im Antiquitätenladen hängte er ein Schild mit der Aufschrift Vorübergehend geschlossen auf. Er durchsuchte alle Schränke in der Wohnung und fand eine Bankkarte sowie einen Zettel, auf dem die Geheimnummer handschriftlich notiert war. An einem Bankautomaten hob er 1.000 Euro ab; auf dem Konto fand sich ein Guthaben von 276.301 Euro. In einem Ordner mit Kontoauszügen sah er, auf welches Konto die Miete für die Wohnung jeden Monat überwiesen wurde. Das Ladengeschäft hatte Alois Brun schon 1973 gekauft, wie Erich in einem anderen Ordner lesen konnte.
    Er übte die Unterschrift des Toten und überwies die Forderungen für den kommenden Monat. Weder an die Universität noch in seine Wohnung in Heidelberg kehrte er zurück. Stattdessen richtete er sich im Heim des Ermordeten häuslich ein. Er verließ das Haus nur selten, um kein Aufsehen zu erregen, vergrub sich in seinem Quartier wie zuvor in seinem Studentenzimmer und fragte sich, ob die Tat, die er begangen hatte, ihm tatsächlich die innerliche Befreiung gebracht hatte, die er sich erhofft hatte. Dabei wusste er die Antwort bereits. Aber er benötigte zwei Wochen, bis er sich eingestehen konnte, dass es ihm nicht besser ging als

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