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Die Partie. Thriller (German Edition)

Die Partie. Thriller (German Edition)

Titel: Die Partie. Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Wächter
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Kurfürst Carl Theodor vorstellig geworden. Der Kurfürst lässt einen Saal im Schloss für die ärztlichen Konsultationen vorbereiten und findet sich mit seinem Hofstaat dort ein, um dem Schauspiel höchstpersönlich beizuwohnen.
    Tisserand lässt einen Epilepsie-Kranken hereinführen. Er setzt dem Mann eine Mütze auf den Kopf und holt mit der Faust aus. Ehrfürchtiges Schweigen bei den Angehörigen der Hofgesellschaft. Was werden das für neue Methoden sein, die der Arzt nutzt und von denen man Wunderdinge berichtet? Tisserand lässt seine Faust herabsausen und bearbeitet den Patienten solange mit Schlägen auf den Schädel, bis dieser einen Anfall bekommt. Ein erstauntes Raunen wogt durch den Raum. Nun lässt Tisserand sich einen Revolver bringen. Er zielt zur Decke und feuert einen Schuss ab. Erschrockenes Aufstöhnen. Der Putz der edlen Deckenvertäfelung rieselt auf die Anwesenden herab. Der Patient zuckt für einen Moment noch mehr, beruhigt sich dann etwas. Tisserand gibt den Revolver an einen Diener ab, tritt vor und verbeugt sich selbstbewusst vor dem Hofstaat. Nicht ohne Erfolg – der Kurfürst applaudiert begeistert, die anderen Anwesenden stimmen ein.
    Nach dem erfolgreichen Auftritt in Mannheim eilt der Ruf des Wunderheilers auch in anderen deutschen Landen umher. Der befreundete Hof in Dresden will den selbsternannten Arzt jetzt ebenfalls sehen. Für die Reise stellt Carl Theodor ihm einen Wagen zur Verfügung – und als Dolmetscher einen pfälzischen Major! Außerdem will der Kurfürst nicht hinter dem König von Frankreich zurückstehen, der hat Tisserand bereits einen Orden verliehen und zahlt eine jährliche Pension von 2000 Livres. Also schenkt ihm Carl Theodor eine goldene Medaille sowie 1000 Livres jährlich, unter der Bedingung, dass der Beschenkte einmal jährlich zum Nutzen der Bevölkerung nach Mannheim zurückkehrt – woran Tisserand sich erfreulicherweise nur selten hält.
    Episoden wie diese sind nicht selten zu dieser Zeit in Mannheim. Die Aufklärung treibt ihre ersten Blüten und die Menschen rennen allem Neuen hinterher. Gerade am Hofe Carl Theodors gibt man sich besonders fortschrittsliebend. Und der Erfolg Tisserands lockt Nachahmer an. Glücksritter, Schwindler, Aufschneider und Kurpfuscher, die mit den Leiden der Bevölkerung ihr Geschäft machen. Und auch einer sonderbaren Erfinderlust frönen viele der Mannheimer mit voller Inbrunst, hinter der sich in Wirklichkeit nichts weiter als eine Neuauflage der mittelalterlichen Alchemie verbirgt. In den Fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts ist eine wahre Goldmacher-Epidemie über die Stadt hereingebrochen. In vielen Häusern hantieren ganze Familien mit Schmelztiegeln, bis die kurfürstliche Regierung wegen der Feuergefahr eingreifen muss und das „schädliche Laborieren“ untersagt. Bei Hausdurchsuchungen finden sich unzählige Öfen, die abgebrochen werden, in allen Kreisen der Bevölkerung, so auch bei den Freiherren von Löwenburg und von Hundheim.
     
    Soweit, sich für die Versuche zu interessieren aus wertlosen Stoffen, kostbares Metall herzustellen, geht der Kurfürst natürlich nicht. Trotzdem benimmt sich Carl Theodor selten so, wie man es von einem Mann mit seiner Machtfülle gewöhnt ist. Er interessiert sich mehr für Künste und Wissenschaften als für Politik, Kriege und Machtspiele. In Mannheim lässt er unter anderem eine Akademie der Wissenschaften sowie einen Zeichenakademie gründen, eine metereologische Gesellschaft und die Sternwarte, lässt die Hofkapelle reformieren, bis sie mit der „Mannheimer Schule“ zu einem der Wegbereiter der Klassik wird.
     
    1753 lädt er den aufklärerischen Autor Voltaire zum ersten Mal in die Schwetzinger Sommerresidenz, nachdem dieser zuvor am Hofe Friedrichs des Großen in Potsdam unehrenhaft aus seinem Amt als Königlicher Kammerherr entlassen wurde. Voltaire kommt das sehr gelegen und er nutzt die pfälzische Gastfreundschaft in vollen Zügen aus. Im Vorwort seines neusten Essays überschüttet er den Kurfürsten mit überschwänglichen Schmeicheleien – natürlich mit dem Hintergedanken den undankbaren Friedrich bloßzustellen. Und Carl Theodor ist begeistert. In den nächsten Jahren wiederholt Voltaire seine Besuche in Schwetzingen – mit der Schreibweise hat er in seinen Briefen an den Fürsten allerdings zu kämpfen: Schewsingen, Shwetsingen, Shissengin, Shwessengen, Shuetsingen. Er überstellt sogar seinen persönlichen Sekretär Cosimo Collini in die Dienste des

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