Die Party Queen von Manhattan - Roman
Mit dem Team komme ich größtenteils gut zurecht. Und die Partys machen nach wie vor Spaß, auch wenn ich weiß, dass das vermutlich bald ausgereizt ist. Ich lerne unheimlich viel neue Leute kennen. Insgesamt ist es augenblicklich wohl genau das Richtige.«
Er nickte, aber mir war klar, dass ihm etwas auf der Zunge lag.
»Was?«, fragte ich.
»Ach, nichts. Es ist nur alles sehr interessant.«
»Was soll daran so interessant sein? Es ist ein PR-Job im Eventbereich, schlicht und nicht besonders ergreifend.«
»Ja, genau, das meinte ich eben. Versteh mich nicht falsch, Bettina, aber wir - also deine Mutter und ich - sind bloß irgendwie etwas überrascht, dass du dich für diese Schiene entschieden hast.«
»Na, immerhin ist es nicht mehr UBS! Mom hat fast einen Herzanfall gekriegt, als sie rausfand, dass Dow Chemical da zu den Kunden gehört. Drei Wochen lang hat sie mir Tag für Tag Briefe geschrieben, ich hätte Mitschuld an der Abholzung der Wälder, an all den lungenkranken Kindern und irgendwie - das habe ich nie ganz verstanden - auch am Irakkrieg. Weißt du das nicht mehr? Sie war dermaßen in Panik, dass ich den Kunden schließlich abgeben musste. Und jetzt regt ihr euch auf, weil ich einen neuen Job habe?«
»Wir regen uns gar nicht auf, Bettina, wir dachten bloß, es wäre an der Zeit, dass du etwas, etwas... Sinnvolleres machst.
Vielleicht bei einer Uni oder einer Forschungsstätte, die Anträge für Fördermittel abfassen. Du konntest doch immer so toll schreiben. Und hast du nicht auch mal eine Zeit lang davon gesprochen, in der Familienberatung zu arbeiten? Was ist denn daraus geworden?«
»Ich hab von allem Möglichen gesprochen, Dad. Aber dann hat sich das hier ergeben, und es macht mir Spaß. Ist das so schlimm?« Es klang schon fast nach Verteidigungsrede, aber das Thema ging mir echt auf die Nerven.
Lächelnd legte er seine Hand auf meine. »Nein, natürlich nicht. Irgendwann wirst du deinen Weg schon finden, ganz bestimmt.«
»Meinen Weg finden? Das klingt aber verdammt abfällig. Was ich zurzeit mache, ist voll in Ordnung -«
»Bettina? Robert? Wo seid ihr denn? Die Mädels von der Lebensmittelkooperative haben gerade angerufen, sie werden gleich da sein. Ist der Holzstoß fertig?«, hallte die Stimme meiner Mutter durchs Haus. Wir sahen uns an und standen auf.
»Schon unterwegs, Schatz«, rief Dad.
Ich stellte die beiden Becher in die Spüle und sauste an meinem Vater vorbei nach oben, wo ich die nächste ausgebeulte Hose aus dem Schrank zog. Einmal kurz mit der Bürste durchs Haar, ein bisschen Vaseline auf die Lippen (jene Lippen, die Sammy vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden geküsst hatte), und schon hörte ich unten im Garten die ersten Stimmen.
Binnen einer Stunde war das Haus rammelvoll. Abgesehen von den paar Nachbarn und Unimenschen, die ich seit Jahren kannte, bevölkerten Horden wildfremder Leute die Räume, süffelten warmen Apfelmost und stippten Pitabrot in Auberginenpüree.
»Sag mal, wer sind die eigentlich alle?«, fragte ich Mom in der Küche, wo sie neue Ladungen Limonade zusammenmixte. Es war kurz nach Sonnenuntergang - oder besser gesagt, nach
dem Dunkelwerden, denn die Sonne hatte sich den ganzen Tag nicht blicken lassen. Die ersten Töne der für diesen Abend engagierten Klezmerband ließen einen Mann, der ganz ähnliche Sandalen trug wie mein Vater, juchzend vor Begeisterung in der Gegend herumhüpfen, als ob ihn irgendwas gestochen hätte. Klassische Thanksgivingdinners laufen definitiv anders ab.
»Ja, stimmt, dieses Jahr sind viele Neue dabei. Nachdem dein Vater in dem Semester nur ein Seminar hält, haben wir uns doch mal ein bisschen mehr unters Volk gemischt. Die Gruppe an dem Tisch da ist von unserer Lebensmittelkooperative - wir haben seit ein paar Monaten eine neue. Habe ich dir das schon erzählt? Die alte war echt nicht mehr tragbar, so was von faschistisch! Ach ja, und die zwei netten Pärchen da drüben sind samstags immer auf dem Gemüsemarkt an der Euclid Street. Und sonst? Ein paar Leute haben wir letzten Monat bei der einwöchigen Mahnwache zur Abschaffung der Todesstrafe kennen gelernt, und dann sind noch welche von unserem Komitee für die Errichtung nachhaltiger Ökodörfer da...«
Sie schwatzte munter weiter, während sie die aufgefüllten Eiswürfelbehälter im Gefrierschrank verstaute und ich, an die Arbeitsplatte gelehnt, zu rekonstruieren versuchte, wann genau mir das Leben meiner Eltern final entglitten war.
»So, jetzt komm,
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