Die Party Queen von Manhattan - Roman
eins war Dad, der mir mitteilte, einer seiner Studenten habe ihm trotz Weihnachtsferien den Artikel per E-Mail zukommen lassen, gefolgt von meiner Mutter, die zufällig gehört hatte, wie ein paar ehrenamtlich Tätige beim Notruf sich darüber mokierten, ob ich wohl je klipp und klar zugeben würde, dass ich mit einem notorischen Judenhasser und Sklaventreiber liiert war, was für sie die Frage aufwarf, ob ich nicht mal mit irgendwem über den komplexen Problembereich »Promiskuität und Selbstwertgefühl« sprechen wolle. Eine Unbekannte bot mir auf dem Anrufbeantworter ihre Dienste als PR-Beraterin an, nicht ohne die freundliche Anmerkung, unter ihren Argusaugen wäre ein solcher Lapsus nie passiert; und ein paar Klatschkolumnisten
aus Provinzblättern im ganzen Land wollten wissen, ob ich mich zu Telefoninterviews bequemen würde, in denen es um brisante Themen wie beispielsweise die Trennung von Brad Pitt und Jennifer Aniston, meine Lieblingslocation zum Abfeiern in New York und meine Einschätzung bezüglich Philips sexueller Orientierung ging. Megu ließ mich im Namen von Michael wissen, wenn ich über irgendwas reden wollte, wären sie beide hundert pro für mich da. Elisa rief auf dem Weg zum Büro vom Taxi aus an und gratulierte mir zu meinem neuen Status als Kastenschlager. Dito Philips Assistentin Marta. Der Anruf von Simon ereilte mich auf dem Weg zum Flughafen. Seine Auslassungen, wonach kein Mensch mit einem Funken Selbstachtung den New York Scoop läse und ich mir demzufolge keine Sorgen zu machen bräuchte, dass irgendwer dieses Machwerk je auch nur zu Gesicht bekommen würde, waren wirklich rührend, wenn ich an frühere Debatten zwischen ihm und mir über dieses Thema zurückdachte.
Ich beschloss, sie alle miteinander nicht weiter zu beachten, aber dann fiel mir ein, dass ich ja bald außer Landes sein würde und vorher wohl nicht drum herumkam, mich zumindest bei meinen Eltern telefonisch zu verabschieden. Ich entschied mich für Dads Handy, in der Hoffnung, dass es nicht an war und ich den beiden eine Nachricht mit dem Tenor Frohes neues Jahr, und ich melde mich, sobald ich wieder da bin hinterlassen konnte. Aber es sollte nicht sein.
»Sieh an, wen haben wir denn da. Anne, komm her, unsere berühmte Tochter ist am Telefon. Bettina, deine Mutter möchte mit dir reden.«
Im Hintergrund rumorte es, dann piepste es ein paarmal im Apparat - wahrscheinlich hatten sie versehentlich auf ein paar Tasten gedrückt. Schließlich drang die Stimme meiner Mutter klar und vernehmlich an mein Ohr.
»Bettina? Warum schreiben die solches Zeug über dich? Stimmt das denn alles? Klär mich bitte auf, ich weiß nämlich
überhaupt nicht, was ich den Leuten sagen soll, wenn sie mich fragen. Ich bin natürlich immer davon ausgegangen, dass nicht ein einziges Wort davon wahr ist, aber seit ich das mit diesem Weston weiß…«
»Mom, ich hab im Moment keine Zeit für längere Erklärungen. Ich bin gerade auf dem Weg zum Flughafen. Aber es ist natürlich alles gelogen, das kannst du dir ja wohl denken?!«
Sie seufzte - ob erleichtert oder gefrustet, war für mich nicht herauszuhören. »Schätzchen, du kannst dir vielleicht vorstellen, dass eine Mutter ins Grübeln gerät, vor allem wenn sie mitbekommt, was für ein merkwürdiges und mysteriöses Leben ihre Tochter mit einem Mal führt.«
»Merkwürdig vielleicht, Mom, aber nicht mysteriös. Ich verspreche dir, euch alles zu erklären, wenn ich zurückkomme, aber jetzt muss ich aufhören, sonst verpasse ich den Flieger. Grüß Dad schön von mir. Ich rufe an, wenn ich am Sonntag wieder da bin, okay? Hab dich lieb.«
Sie schien noch einen Augenblick zu überlegen, ob sie nicht doch nachhaken sollte. Dann seufzte sie erneut. »Gut, also sprechen wir uns dann. Sieh dir so viel wie möglich an, Liebes, und pass auf dich auf. Und versuch dein Privatleben aus den Schlagzeilen herauszuhalten, okay?«
Alles in allem war es ein rundum beschissener Vormittag gewesen, aber zum Glück stand ich alsbald vor einem neuen Problem, das mich diese elende Kolumne vergessen ließ: Louis Vuitton. In rauen Mengen. Gepäckkarren voller Schrankkoffer, Rollkoffer, Schmuckkoffer, Kleidersäcke, Reisetaschen und Kosmetikköfferchen mit dem verschlungenen LV-Emblem. Man hätte das Stammhaus in Mailand und die gigantische Boutique an der Fifth Avenue locker damit füllen können. Offenbar hatten alle den Hinweis auf dem Memo beherzigt, dass Louis Vuitton die angesagte Gepäckmarke war. Drei
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