Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Patin

Titel: Die Patin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
scheuern. »Hansjürgen ist sterilisiert, die Kacke ist am Dampfen, jetzt kommt alles raus - bist du schwanger?«
    »Ich bin mindestens vierzehn Tage überfällig«, skandierte Anne.
    »Vielleicht hat sich dein Zyklus ein wenig verschoben«, sagte ich. »Wegen des Stresses. Oder du kommst ganz einfach in die Wechseljahre. Ich meine, du und Jo, ihr werdet doch wohl verhütet haben. Ihr seid schließlich erwachsen, und im Zeitalter von AIDS ...« Ich brach ab, weil Anne den Kopf schüttelte.
    So viel Leichtsinn konnte ich beinahe nicht fassen.
    »Also wirklich!«, sagte ich vorwurfsvoll.
    »Das ist mein Ende«, sagte Anne, ganz heiser vom Brüllen.
    Eine Weile schwiegen wir.
    »Jetzt warte doch erst mal ab«, sagte ich schließlich. »Du hast ja noch nicht mal einen Test gemacht.«
    »Ich bin Hebamme«, sagte Anne. »Ich weiß, wann ich verloren habe.«
    Ich verkniff mir jegliche Bemerkung darüber, was eine Hebamme zum Thema Verhütung wissen sollte, und sagte: »Wenn du wirklich schwanger sein solltest - und das ist, wie gesagt, noch nicht geklärt - dann ist das vielleicht sogar ganz gut so. Weil du dann gezwungen bist, Hansjürgen reinen Wein einzuschenken und ihn zu verlassen.«
    »Um mit meinen drei Kindern von der Sozialhilfe zu leben«, sagte Anne und raufte sich die Haare. »Ich fasse es nicht, wie ich so blöd sein konnte. Was soll ich Jo sagen? Er hat doch nun wirklich schon genug Probleme am Hals.«
    Das stimmte allerdings. Und diese Probleme lösten sich nicht, nur weil man immer und immer wieder darüber redete. Ich sah auf die Uhr. »Sei mir bitte nicht böse, Anne, aber ich habe noch einen wichtigen Termin. Ich muss jetzt weg.«
    »Jetzt? So plötzlich?« Anne folgte mir perplex die Treppe hinunter in den Hausflur. »Meine Welt ist gerade zusammengebrochen, und du willst mich allein lassen? Ich bin schwanger, Herrgott noch mal, und mein Mann ist seit fünf Jahren sterilisiert. Du kannst mich jetzt nicht allein lassen.«
    »Ich muss aber«, sagte ich, griff nach meinem Hausschlüssel und fischte das Pfefferspray aus dem Schirmständer. »Es tut mir Leid.«
    Ich machte die Haustür auf und schob Anne hinaus. Hier draußen erschlug einen beinahe die Hitze. Die so genannten »Hundstage« waren angebrochen. Auf den Kühlerhauben der parkenden Autos konnte man Spiegeleier braten.
    »Warte!«, rief Anne. »Ich wollte dich noch fragen, ob du vielleicht Jasper heute Nachmittag nehmen könntest, wenn ich zu diesem Anwalt muss, wegen des Testaments.«
    »Nein, tut mir Leid, heute geht es nicht.« Ich schloss die Haustür zweimal ab. »Es wird vielleicht Stunden dauern, bis ich wieder hier bin. Es ist ein sehr wichtiger Termin. Ich kann ihn nicht aufschieben.«
    »Oh, verstehe, na, kein Problem, dann nehme ich Jasper ebenmit«, sagte Anne. »Ich meine, er wird im Auto vor Hitze eingehen, danach diese Kanzlei in Grund und Boden schreien, und ich werde einen Nervenzusammenbruch erleiden, weil ich schwanger bin und auch noch Schulden von meinem Vater erbe, aber was macht das schon? Hauptsache, du kannst deine Freizeit genießen.«
    Ich tätschelte kurz ihren Arm. »Sei mir nicht böse. Du schaffst das schon.«
    »Warte«, rief Anne wieder. »Könntest du ihn denn vielleicht heute Abend nehmen? Wenn ich zu Jo gehe?«
    »Heute Abend kommt Anton zurück«, sagte ich, schon halb in der Einfahrt. »Da wollte ich eigentlich nicht ...«
    Anne seufzte schwer. »Ich weiß einfach nicht, wo ich das Kind sonst lassen soll. Mitnehmen kann ich ihn ja wohl schlecht, wenn ich Jo von dieser umwerfenden Neuigkeit berichten muss, und Max ist im Ferienlager, und einen Babysitter kann ich mir nicht leisten. Wenn wir nur mehr Geld ...«
    »Schon gut«, sagte ich. »Du kannst ihn um sieben herbringen. Er kann in Julius' Bett schlafen.«
    »Danke«, sagte Anne. Im Weggehen schlug sie ihren Kopf dreimal gegen die Straßenlaterne. »Und viel Spaß bei der Maniküre, oder was immer dein wichtiger Termin auch sein mag.«
    Eigentlich war es gar kein richtiger Termin, denn Kfz-Klose wusste gar nicht, dass ich vorbeikommen wollte.
    Er steckte mit beiden Händen in den Innereien eines elfenbeinfarbenen Mercedes Coupe, als er mich sah.
    »Nanu, hallo, suchen Sie wieder Ihre Tochter?«
    »Nein«, sagte ich und drehte nervös das Pfefferspray in meinen Händen. Ich hatte es bei mir, falls Hannibal und Lecter um die Ecke biegen würden. Oder die beiden Armanis. Aber weder von dem einen noch von dem anderen Pärchen war etwas zu sehen. »Eigentlich bin

Weitere Kostenlose Bücher