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Die Patin

Titel: Die Patin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Undjetzt ist es ja auch schon das zweite Mal. Die Frau geht stramm auf die vierzig zu, Himmel Herrgott noch mal! Da waren meine Kinder schon auf dem Gymnasium, alle vier!«
    »Ja, dann richte ich ihr aus, dass Sie angerufen haben«, sagte ich steif. »Es wäre nett, wenn Sie sich in der Zwischenzeit in Ihre Restmülltonne setzen und auf die Müllabfuhr warten würden«, hätte ich gerne hinzugefügt, aber das hätte Mimi gehört. Ihre Schwiegermutter entsprach wirklich ihren garstigen Schilderungen.
    »Was wollte das Schrapnell?«, fragte Mimi, als ich mich wieder auf dem Hocker niederließ.
    »Äh, sein äh ihr Beileid ausdrücken«, log ich. »Es tut ihr sehr Leid, dass du das Baby verloren hast.«
    »Was?«, explodierte Mimi. »Die alte Wachtel wusste doch gar nichts von der Schwangerschaft! Dieses Muttersöhnchen muss sich bei ihr ausgeheult haben. Oh, ich werde ihm den Hals umdrehen, wenn er nach Hause kommt! Was hat sie denn gesagt? Dass ich selber schuld bin, weil ich so unterernährt und hektisch bin? Dass in ihrer Familie alle kerngesund und fruchtbar sind? Dass der arme Ronnie sich eine Frau mit breiterem Becken und besseren Genen suchen soll?«
    »Nein, aber es ging in diese Richtung«, gab ich zu. »Sie ist wirklich strohdoof Ein Wunder, dass ihre Kinder es mit den Genen aufs Gymnasium geschafft haben.«
    »Der Arzt hat so was Ähnliches gesagt«, murmelte Mimi.
    »Was denn? Der kennt deine Schwiegermutter auch?«
    »Nein. Er hat gesagt, dass der Fötus wahrscheinlich missgebildet war. Sie können froh sein, dass Ihnen ein behindertes Kind erspart geblieben ist, Frau Pfaff. Die Natur regelt so etwas manchmal ganz von selber. Oh ja, und wie froh ich bin. Ich könnte den ganzen Tag jauchzen vor Glück.«
    Ich hasste den Arzt sofort bedingungslos. »Er hat Nina-Louise ja gar nicht gekannt«, sagte ich.
    Mimi schnaubte. »Du doch auch nicht«, sagte sie.
    »Doch«, sagte ich. »Ich wusste genau, wie mein Patenkind sein würde, wenn es erst auf der Welt wäre. Ich wusste sogar schon, was ich in ihre Schultüte tun würde. Nina-Louise war das netteste Kind von allen ...«
    »Nein! Nina-Louise war nur eine Fiktion.« Mimi guckte auf den dunklen Fernsehschirm. »Ich weiß auch nicht, warum ...« Sie verstummte.
    »Warum - was?«, fragte ich.
    Mimi guckte immer noch auf den Fernseher. »Warum sie mir dann so furchtbar fehlt«, flüsterte sie.
    Eine Träne hing an ihren dunklen Wimpern und kullerte ihre Wange hinab. Beinahe erleichtert zog ich sie in meine Arme, wo sie zum ersten Mal seit fünf Tagen laut zu schluchzen begann.
     
    *
     
    »Ich denke, sie sollte wieder arbeiten gehen«, sagte Anton. »Keinem tut es gut, nur zu Hause rumzusitzen und aufbessere Zeiten zu warten. Zumal Mimi wirklich spitze in ihrem Job war.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Sie schafft es ja nicht mal, zu lüften oder die Katzenfutterdosen in den Gelben Sack zu sortieren. Sie fühlt sich als Versagerin und hat gleichzeitig eine Sauwut auf alle, die ihr genau das zu verstehen geben. Ich fürchte, sie braucht, äh, psychiatrische Intervention. Und Ronnie auch. Hast du gesehen, was er gestern mit dem Brötchen gemacht hat? Er hat es zwischen seinen Fingern zu Staub zerrieben, anstatt es zu essen. Und wir sprechen hier von dem Mann, für den ich immer ein Blech Pizza extra backe.«
    »Ja, ich mache mir auch große Sorgen um die beiden«, sagte Anton. »Ronnie sagt, er kommt einfach nicht zu ihr durch. Sie lässt sich nicht mal mehr in den Arm nehmen.«
    »Oh, das kann ich erklären«, sagte ich. »Mimi ist sauer auf ihn, weil er seiner Mutter von der Fehlgeburt erzählt hat.«
    »Aber das musste er doch«, sagte Anton.
    »Musste er nicht«, widersprach ich. »Die Mutter wusste ja gar nicht, dass Mimi überhaupt schwanger war.«
    »Aber sie kann Ronnie doch nicht böse sein, wenn er ein so ... schwer wiegendes Ereignis seiner Mutter mitteilt«, sagte Anton.
    »Doch«, sagte ich heftig. »Was geht das denn die Mutter an?«
    »Naja, sie ...«
    »Sie ist eine blöde Kuh, die auf Mimi herunterschaut, weil sie nicht ein Junges nach dem anderen wirft«, unterbrach ich ihn. »Sie hat Mimi einen Brief geschrieben, und darin steht, dass sie froh sein soll, dass ihr schwächlicher Körper den Fötus abgestoßen hat, denn ein Leben mit einem behinderten Kind sei ihrem armen Ronnie nicht zuzumuten. Und dass Mimi sich am besten ein Grab schaufeln soll, damit Ronnie sich nach einer jüngeren und gesünderen Mutter für seine Kinder umschauen

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