Die Patin
hättest du bei so was nicht mal gebügelt! Du warst die Einzige, der ich immer abgenommen habe, dass sie wirklich nur Tagesschau und Reportagen auf Phoenix und Arte anschaut! Und jetzt sieh dich an! Nicht mehr lange, und hier sieht's aus wie bei Tina und Melanie zu Hause!«
Die Katzen hoben unwillig den Kopf und sahen mich böse an. Sie mochten es nicht, wenn jemand seine Stimme erhob.
»Es steht dir frei zu gehen«, sagte Mimi. Als ich mich nicht rührte, setzte sie hinzu: »Denk mal: Diese Ela, die sie da als späte Mutter bezeichnen, ist erst vierunddreißig, drei Jahre jünger als ich.«
»Ja, und?«
»Was meinst du, wie viel Mitleid Tina erst mit meinem Kind hätte?«
»Was meinst du erst, wie viel Mitleid ich mit Tinas Kindern habe?«, rief ich. »Stell dir nur mal vor, wenn die ihre Kinder in die Disco begleitet mit dieser Scheiß-Frisur und dem großartigen Ziel, mit spätestens dreißig Großmutter zu sein! Gründerin einer Dynastie von MP3Player besitzenden Sozialhilfeempfängern ohne Schulabschluss.«
»Du hast Vorurteile«, sagte Mimi kühl. »Die Kinder dieser Frau zahlen immerhin mal deine Rente.«
»Oh nein«, sagte ich. »Die Kinder dieser Frau knacken einst mein Auto. Oder kotzen bestenfalls auf die Kühlerhaube, wenn sie aus der Kneipe kommen, in der sie ihre Sozialhilfe versaufen. Deine Kinder werden dann mit ihren Steuern die Vaterschaftstests von Tinas Urenkeln finanzieren.«
»Tja, nur dass ich keine Kinder habe«, sagte Mimi.
Das hatte ich nicht vergessen.
»Noch nicht«, sagte ich trotzig, nahm ihr die Fernbedienung aus der Hand und machte den Fernseher aus. »Komm schon, Mimi, sprich mit mir über Nina-Louise.«
»Nenn es nicht immer Nina-Louise«, sagte Mimi. »Es war bloß ein Fötus. Und ohne diesen Fötus bin ich nichts. Nicht mal mehr Mitglied in der Mütter-Mafia.«
»Trudi hat auch keine Kinder, und sie ist trotzdem in der Mütter-Mafia«, sagte ich. »Außerdem ...«
»Alle diese Frauen da im Fernsehen bekommen Kinder, ob sie wollen oder nicht«, sagte Mimi. »Es scheint so einfach zu sein: Ein Abend in der Disko, ein paar Bier zu viel, und neun Monate später ist das Baby da. Was mache ich denn falsch? Was stimmt mit mir nicht?«
»Red nicht so einen Blödsinn. Du weißt genau, dass du nichts falsch gemacht hast. Das ist einfach - Schicksal!« Das Telefon klingelte.
»Geh du dran«, sagte Mimi. »Ich möchte mit niemandem sprechen. Ich kann dieses es tut mir so Leid nicht mehr hören. Dieses ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich hasse sie alle.«
»Aber ...« Aber wir meinen es doch nur gut, wollte ich sagen. Nur wahrscheinlich hasste Mimi diesen Satz noch mehr.
»Am schlimmsten sind die mit den Bergkristallen, Bachblüten oder Hühnersuppen«, giftete Mimi. »Wir wollen doch nur helfen! Wir meinen es doch nur gut! Zum Kotzen. Sie legen es richtig darauf an, mich zum Heulen zu bringen! Aber den Gefallen werde ich ihnen nicht tun! Ich werde nicht heulen, auf keinen Fall!«
»Wir müssen ja nicht drangehen«, sagte ich.
»Doch, müssen wir«, sagte Mimi. »Falls es Ronnie ist. Wenn ich nicht ans Telefon gehe, kommt er sofort angerast oder schickt eine Polizeistreife vorbei, der Blödmann. Also, geh schon ran, dieses Klingeln macht mich total aggressiv.«
Das merkte ich. »Bei Pfaff«, sagte ich in den Hörer.
»Wer ist denn da?«, fragte eine ungehaltene weibliche Stimme.
»Ich bin eine Freundin von Mimi.«
»Dann holen Sie Mimi bitte mal an den Apparat«, verlangte die Stimme.
»Und wen darf ich - äh?«, fragte ich. »Pfaff! Ich bin die Schwiegermutter.«
»Oh, einen Moment bitte.« Ich hielt den Hörer zu und flüsterte: »Deine Schwiegermutter« zu Mimi hinüber.
»Oh Gott«, sagte Mimi laut. »Sag ihr, sie soll sich verpissen! Ich habe keine Lust, mit dem alten Ungeheuer zu sprechen.«
Ich konnte nur hoffen, dass das alte Ungeheuer ein bisschen schwerhörig war. »Hören Sie? Leider kann Mimi nicht ans Telefon kommen. Sie ist, äh, in der Badewanne.«
»Ob das mal so gut ist nach einer Fehlgeburt«, sagte die Schwiegermutter. »Da kann man sich Infektionen holen, Herrgott noch mal, das weiß doch jedes Kind. Aber die Frau hat ja noch nie gut auf sich geachtet. Viel zu dünn und viel zu viel Alkohol. Und dann diese krankhafte Fixierung auf die Karriere. Aber das liegt alles in den Genen. In unserer Familie sind alle fruchtbar und gesund, seit Generationen. Bei uns ist auch noch nie eine Behinderung vorgekommen. Fehlgeburten kennen wir gar nicht.
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