Die Patin
kann.«
»Das hat sie wirklich geschrieben?«, fragte Anton ungläubig.
»In etwa«, sagte ich. »Nur mit anderen Worten.«
»Das ist allerdings heftig«, sagte Anton.
»Ja, sie ist wirklich die sprichwörtliche böse Schwiegermutter, genau wie dei...« Ich stockte. Mist. »Äh, d... die böse Schwiegermutter im Märchen«, ergänzte ich lahm.
»Im Märchen ist es, glaube ich, die Stiefmutter«, sagte Anton.
»Ach ja, richtig«, sagte ich und sah unbehaglich auf Antons Tochter Emily hinab, die seit seiner Ankunft an seinem Ärmel klebte und mich mit ihren dunklen Augen fixierte. Emily war sechs Jahre alt und sah aus wie ein fragiles asiatisches Engelchen, mit ihrem samtenen Teint und den wunderschönen, dicht bewimperten Mandelaugen, die sie von den thailändischen Vorfahren ihrer Mutter geerbt hatte. Ihre Haare waren schwarz und glänzend wie das Gefieder eines Raben, und wenn sie lächelte, bildeten sich zwei Grübchen in ihren Wangen. Nicht, dass sie mich jemals angelächelt hätte, im Gegenteil: Wenn sie mich überhaupt ansah, dann so, als ob ich gerade ihrer Lieblingsbarbie den Kopf abgebissen hätte.
»Sie ist so schüchtern«, hatte Anton mir über ihren Kopf hinweg zugeflüstert, aber ich war mir nicht so sicher, ob das stimmte. Auf Julius' freundliche Aufforderung, mit ihm zu spielen, hatte Emily jedenfalls sehr wenig schüchtern gesagt: »Ich spiele nicht mit Babys.«
Anton hatte gelacht. »Mit sechs spielen zwei Jahre Altersunterschied noch eine große Rolle!«
»Ich bin bald fünf.« Julius war schwer gekränkt. Ich auch. Schließlich überragte er die zierliche Emily um einen halben Kopf und war überhaupt sehr weit für sein Alter. »Ich kann schon ohne Stützräder fahren.«
»Oh, das ist ja toll«, sagte Anton in diesem »Ich-schleime-das-Kind-meiner-Freundin-zu-damit-ich-bei-ihr-punkten-kann«-Tonfall, der ihm offensichtlich selber peinlich war, denn er errötete leicht. Dafür liebte ich ihn gleich noch ein bisschen mehr. Tatsächlich führte der Weg in mein Herz direkt über die Zuneigung meiner Kinder. Mit Julius war das allerdings nicht besonders schwierig: Er mochte beinahe alle Menschen gern, er hatte ein sonniges kleines Gemüt. Nelly war da schon ein schwierigerer Fall.
»Dann könnten wir ja mal alle zusammen eine Radtour machen, wie wäre das?«, fügte Anton etwas weniger schleimig hinzu.
»Gut«, sagte Julius sofort begeistert. Emily und ich sagten nichts. Der letzte gemeinsame Ausflug war uns noch gut im Gedächtnis.
Emily wollte auch nicht mit Senta und Berger, unseren rot geströmten Kätzchen spielen, obwohl die zur Zeit wirklich unwiderstehlich waren, verspielt, flauschig und schmusig. Alle Kinder waren hingerissen von ihnen, das heißt, alle außer Emily.
Auf Annes Anregung hin hatte ich Anton und Emily zum Abendessen eingeladen.
»Es wäre besser, wenn ihr mal ganz normale Dinge miteinander tut, nicht immer nur Theaterbesuche und Essen in piekfeinen Restaurants«, hatte Anne gesagt. »Vielleicht kocht ihr einfach mal zusammen. Ihr schnipselt nebeneinander das Gemüse, wischt euch die Zwiebeltränen aus den Augen, füttert euch gegenseitig mit kleinen Leckerbissen, und die Kinder decken in der Zeit gemeinsam den Tisch. Wie eine glückliche große Familie. Und wenn die Kinder im Bett sind, macht ihr zusammen den Abwasch und vögelt auf dem Küchentisch.«
Ich hatte die Idee gut gefunden, auch wenn wir natürlich keinerlei Übernachtungspläne geschmiedet hatten. Und das mit dem Küchentisch würde ich mit Kindern im Haus niemals wagen! Mir hätte schon die Sache mit dem gegenseitigen Füttern gereicht. Aber weil Emily Antons Arm lahm legte, konnte er nicht mal die Paprika für den Salat klein schneiden. Sein Beitrag zum Kochen bestand darin, dass er mir dabei zusah und Rotwein trank.
Sie hing an seinem Arm fest, seit er mich zur Begrüßung umarmt hatte.
»Heute mal mit Unterwäsche?«, hatte er mir ins Ohr geraunt. Ich hatte gerade noch Zeit für eine wohlige Gänsehaut gehabt, dann war Emily vorgeschossen, um mit Antons Arm zu verwachsen.
Ich seufzte leise. Leider lief es mit Anton nicht so, wie ich mir vorgestellt hatte. Dieses wunderbare, beflügelnde Gefühl der ersten Verliebtheit war einer tiefen Unsicherheit gewichen. Nicht, dass ich ihn jetzt weniger anziehend fand, im Gegenteil. Aber unsere Beziehungskiste war irgendwie auf halbem Weg stecken geblieben, und ich hatte keine Ahnung, wie ich wieder Schwung in die Sache bringen konnte.
Als ich die Cannelloni
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